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Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0441
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DIE TRIUMPHE DES REICHTHUMS UND DER ARMUTH. 385

vom Boden zu raffen, und deren Geficht verdeckt ift, wird als Themi-
ftokles bezeichnet; auch diefer grofse Feldherr entging ja dem Vorwurf
der Habfucht nicht, als er fich vom Perferkönige einige Städte hatte
fchenken laffen; und wie er den Unwillen der Griechen dadurch erregte,
dafs er nach orientalifcher Sitte dem Barbarenkönige feine Huldigung
durch Kniebeugung darbrachte, beugt er fich auch hier vor der Glücks-
göttin in den Staub. Ventidius, auch aus Juvenal bekannt, breitet feinen
Mantel aus, um Geldftücke aufzufangen; daffelbe thut die folgende Ge-
halt mit der phrygifchen Mütze, in der Unterfchrift Gadareus, das heifst
ein Einwohner des wegen feiner Üppigkeit fprüchwörtlichen Gades1) ge-
nannt. Dem Wagen folgt Cröfus, mit der Krone gefchmückt und auf
einem edlen Pferde, welches Narciffus am Zügel führt. Hinter ihnen find,
gleichfalls reitend, zwei andere Könige, die vom Gipfel der Macht und
des Glücks herabgefchleudert wurden, Midas und Tantalus, zu fehen, und
zuletzt zeigt fich Cleopatra, die ihre Reize in unverhüllter Pracht den
Blicken ausfetzt, und deren Wagen eben eine Wendung macht, um fich
dem ftattlichen Zuge des Plutus anzufchliefsen.
Deffen Gefpann wird von einem erprobten Wagenlenker, der vor
der Glücksgöttin fitzt, Ratio, »Vernunft«, regiert. Mag ihm auch einer
aus der Umgebung vividius! »fahre fchneller«, zuzurufen, der bärtige
Mann mit den nervigen Armen fafst dennoch unbeirrt die Zügel kurz.
Diefe heifsen »Kenntnifs« und »Wille«, und die Roffe werden aufserdem
noch durch vier edle, göttliche Frauengeftalten regiert, welche theils neben-
her gehen, theils auf ihnen reiten. Das widerfpenftige Pferdepaar dem
Wagen zunächfl, »Zins« und »Contract«, wird durch »Billigkeit« und
»Gerechtigkeit« geleitet, das vordere Gefpann, das fich feurig aufbäumen
möchte, »Geiz« und »Trug« durch »Freigebigkeit« und »Rechtfchaffenheit«
gebändigt. Es gilt, die Roffe wohl im Zaume zu halten, um der Nemefis,
die drohend hinterdrein fchwebt, zu entgehen.
Der Triumph der Armuth trug folgende Strophe als Wahlfptuch:
MORTALIVM IVCVNDITAS VOLVCRIS EST ET PENDVLA
MOVETVR INSTAR TVRBINIS QVAM NIX AGIT SEDVLA
QVID ERGO CONFIDETVR IN GLORIA
QVI DIVES EST PENVRIAM FORMIDAT IGNOBILEM
INSTABILIS FATI ROTAM SEMPER TIMET MOBILEM
DEGITQVE VITAM PROPE FALLIBILEM
QVI PAVPER EST NIHIL TIMET NIHIL POTEST PERDERE
SED SPE BONA LAETVS SEDET NAM SPERAT ACQVIRERE
DISCITQVE VIRTVTE DEVM COLERE.
9 Diefe Deutung Lappenberg's ift offenbar die richtige und an die hebräifche Stadt Gadara
(vergl. Zeitfchrift für bildende Kunft, IV, S. 232) ift nicht zu denken. Auf Griechifch heifst
Gades rd rdd^^a, und bei der damaligen Vorliebe für griechifche Brocken mitten im latei-
nifchen Text ift Gadareus ftatt Gaditanus erklärlich.
Woltmann, Holbein und seine Zeit.

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