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Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0448
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392 HOLZSCHNITTE, SPOTTBILDER, MINIATUREN.

gröfstentheils nur eine redigirende gewefen, und er hatte fein Werk in
Deutfchland, den dortigen Reformatoren nahe und mit Tyndale's Unter-
ftützung vollbracht. Das Buch, ein prächtig ausgeftatteter, jetzt aufser-
ordentlich feltener Folio-Band, war auch im Auslande gedruckt, wie die
meiden der früheren englifchen Reformationsfehriften, und zwar bei
Chriftoph Frofchover in Zürich.
Jetzt war die heilige Schrift in der Landesfprache nicht mehr wie
unter Wolfey und More verpönt und verfolgt, ihre Verbreitung wurde
nicht mehr mit den ftrengften Strafen an Gut und Leben bedroht. Auf
das Erfcheinen diefes Buches erfolgte der Erlafs Cromwell's, damals
General-Vicar des Königs in allen geiftlichen Angelegenheiten, jeder
Pfarrer habe dafür Sorge zu tragen, dafs feine Kirche mit einem Exem-
plar der ganzen Bibel verfehen fei. Eine Widmung an Heinrich VIII.
geht dem Texte vorauf, und ebenfo nimmt der König in eigener Perfon
feine Stelle unter den Bildern des Titels ein, deffen Zeichnung von Hans
Holbein herrüht1) (vergl. unfern Holzfchnitt auf dem Widmungsblatt).
Unten thront Heinrich VIII. im vollen Königsornat, das Schwert in
der Rechten, fein Vier-Felder- Wappen, im erden und vierten Felde drei
Lilien, im zweiten und dritten drei Leoparden enthaltend, und von den
Infignien des Hofenbandordens umgeben, id zu feinen Füfsen angebracht,
rechts und links knieen die höchften geiftlichen und weltlichen Würden-
träger des Landes, und erfteren legt der König ein grofses Buch, das
heilige Wort des Herrn, in die Hand.
Die übrigen Darftellungen, „oben und an den Seiten, bilden einzelne
Momente aus dem Alten und Neuen Teftamente, die einander finnreich
entfprechen. Links oben der Sündenfall, fehr dramatifch aufgefafst.
Den Verführungen der Schlange — diesmal ift fie ohne Menfchenhaupt
gebildet .— hat das erfte Elternpaar nachgegeben, und nun ergreift beide
auch fchon das Gefühl von dem, was fie gethan. Adam, noch die ver-
botene Frucht in der Hand, fühlt den Drang, feine Blöfse zu decken,
und greift nach einem Zweig deffelben Baumes, von dem er den Apfel
pflückte. Vorwurfsvoll wendet er fich gegen Eva um, und diefe fleht
von Kopf bis zu Fufs als ein Bild der Scham da, in der fie ganz ver-
gehen möchte. Ihnen, die den Tod in die Welt gebracht, gegenüber

') Dibdin, der eine genaue Befchreibung des Buches giebt (Bibliotheca Spenceriana,
London 1814, S. 78), nennt Holbein's Namen nicht. Chatto erwähnt den Titel nur kurz in
einer Anmerkung mit dem Zufatz, er zweifle nicht, das derfelbe von Holbein herrühre. Auch
M. Ambroife Firmin Didot führt ihn als Arbeit Holbein's an, während er in der deutfchen
Kunftliteratur völlig unbekannt ift. — Vergl. Verz. der Werke Nr. 237. Der Titel, welchen
Froude (vol. III., Cap. I.) als Titel der erften englifchen Bibel befchreibt, gehört erft einer
fpäteren Ausgabe an und hat mit Holbein nichts zu thun.
 
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