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HOLBEIN'S ENDE.
wie Dürer, eine pofitive perfönliche Glaubensüberzeugung ausfpricht, aber
defto entfehiedener in negativer Weife mit fchneidender Ironie und fcharfer
Satire für ihre Sache ftreitet. Dennoch ift ihm dies keineswegs das höchfte
künftlerifche Ziel; fondern die ganze Herrlichkeit feiner Geftaltungskraft
wendet er an freie Schöpfungen idealen Inhalts und Stils, für deren Wir-
kung es keine zeitlichen Bedingungen und nationalen Schranken giebt,
oder er begnügt fich mit der einfachen Aufgabe des Bildniffes, in welchem
er alle nordifchen Zeitgenoffen übertrifft. So ift feine Kunft eine folche,
die — nach den Worten eines heutigen Dichters — nicht blos das ver-
kündet, was die Epoche befitzt, fondern auch ahnend hervorbringt was
ihr fehlt ').
Von den beiden Meiftern ift alfo Dürer gröfser als Genius überhaupt,
Holbein dagegen überlegen als Maler. Was Dürer fchafft ift die höchfte
künftlerifche Offenbarung des fpecififch deutfehen Geiftes, Holbein da-
gegen fetzt die Kunft des Vaterlandes in Einklang mit der grofsen
modernen Kunftentwickelung überhaupt.
Während Albrecht Dürer nicht nur auf die Kunft in allen Gegenden
Deutfchlands einen unberechenbaren Einflufs übte, fondern auch eine
grofse Anzahl von Schülern bildete, die feine Richtung weiter führten,
kann von einer Schule Holbein's in keiner Weife die Rede fein. Wohl
bringt die füddeutfche und fchweizer Bildnifsmalerei zahlreiche Arbeiten
hervor, die Verwandtfchaft zu Holbein's Stil verrathen, doch läfst fich von
keinem einzigen bedeutenderen Künftler der folgenden Epoche nachweifen,
dafs er bei Holbein gelernt. Sehr mit Unrecht ift dies wiederholt von
einigen Künftlern der Schweiz wie Nicolaus Manuel von Bern und
Hans Afper von Zürich behauptet worden. Erfterer, älter als Holbein,
hatte eher einigen Einflufs auf ihn, und der zweite, ein tüchtiger Bildnifs-
maler, derb und fchwerfällig in der Form, wenn auch trefflich im Colorit,
bleibt von dem Gefchmack des grofsen Bafeler Meifters völlig unberührt.
Muthmafslich nennt Sandrart einen füddeutfchen Künftler als Holbein's
Schüler: Chriftoph Amberger, der fpäter in Augsburg lebte. Mit Recht
weift er darauf hin, dafs diefer »in feiner Manier zu malen, abfonderlich
im Contrafäten, dem berühmten Künftler Holbein gefolgt«, und bemerkt
dazu, dafs er in Bafel's Nähe, nämlich um Strafsburg herum, viel gethan„
habe. Wahrfcheinlicher ift wohl, dafs. Amberger ein Schüler von Hans
Burckmair zu Augsburg war, mit deffen Stil der feinige eine unleugbare
Verwandtfchaft zeigt, doch hat er dann jedenfalls auch Holbein's Werke
ftudirt, fowie directe Einwirkungen von Italien, namentlich von Venedig
und der Lombardei her, erfahren. Oft verfteht er es, den deutfchen
Charakter mit diefer modernen Manier trefflich zu vermählen, wie in dem
') Emanuel Geibel, Neue Gedichte, Diftichen, III.
HOLBEIN'S ENDE.
wie Dürer, eine pofitive perfönliche Glaubensüberzeugung ausfpricht, aber
defto entfehiedener in negativer Weife mit fchneidender Ironie und fcharfer
Satire für ihre Sache ftreitet. Dennoch ift ihm dies keineswegs das höchfte
künftlerifche Ziel; fondern die ganze Herrlichkeit feiner Geftaltungskraft
wendet er an freie Schöpfungen idealen Inhalts und Stils, für deren Wir-
kung es keine zeitlichen Bedingungen und nationalen Schranken giebt,
oder er begnügt fich mit der einfachen Aufgabe des Bildniffes, in welchem
er alle nordifchen Zeitgenoffen übertrifft. So ift feine Kunft eine folche,
die — nach den Worten eines heutigen Dichters — nicht blos das ver-
kündet, was die Epoche befitzt, fondern auch ahnend hervorbringt was
ihr fehlt ').
Von den beiden Meiftern ift alfo Dürer gröfser als Genius überhaupt,
Holbein dagegen überlegen als Maler. Was Dürer fchafft ift die höchfte
künftlerifche Offenbarung des fpecififch deutfehen Geiftes, Holbein da-
gegen fetzt die Kunft des Vaterlandes in Einklang mit der grofsen
modernen Kunftentwickelung überhaupt.
Während Albrecht Dürer nicht nur auf die Kunft in allen Gegenden
Deutfchlands einen unberechenbaren Einflufs übte, fondern auch eine
grofse Anzahl von Schülern bildete, die feine Richtung weiter führten,
kann von einer Schule Holbein's in keiner Weife die Rede fein. Wohl
bringt die füddeutfche und fchweizer Bildnifsmalerei zahlreiche Arbeiten
hervor, die Verwandtfchaft zu Holbein's Stil verrathen, doch läfst fich von
keinem einzigen bedeutenderen Künftler der folgenden Epoche nachweifen,
dafs er bei Holbein gelernt. Sehr mit Unrecht ift dies wiederholt von
einigen Künftlern der Schweiz wie Nicolaus Manuel von Bern und
Hans Afper von Zürich behauptet worden. Erfterer, älter als Holbein,
hatte eher einigen Einflufs auf ihn, und der zweite, ein tüchtiger Bildnifs-
maler, derb und fchwerfällig in der Form, wenn auch trefflich im Colorit,
bleibt von dem Gefchmack des grofsen Bafeler Meifters völlig unberührt.
Muthmafslich nennt Sandrart einen füddeutfchen Künftler als Holbein's
Schüler: Chriftoph Amberger, der fpäter in Augsburg lebte. Mit Recht
weift er darauf hin, dafs diefer »in feiner Manier zu malen, abfonderlich
im Contrafäten, dem berühmten Künftler Holbein gefolgt«, und bemerkt
dazu, dafs er in Bafel's Nähe, nämlich um Strafsburg herum, viel gethan„
habe. Wahrfcheinlicher ift wohl, dafs. Amberger ein Schüler von Hans
Burckmair zu Augsburg war, mit deffen Stil der feinige eine unleugbare
Verwandtfchaft zeigt, doch hat er dann jedenfalls auch Holbein's Werke
ftudirt, fowie directe Einwirkungen von Italien, namentlich von Venedig
und der Lombardei her, erfahren. Oft verfteht er es, den deutfchen
Charakter mit diefer modernen Manier trefflich zu vermählen, wie in dem
') Emanuel Geibel, Neue Gedichte, Diftichen, III.