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SCHLUSS DER BASELER ZEIT.
Pencz gemalten Porträt zu Windfor-Caftle zu Grunde, welches 1537,
nach dem Tode des Gelehrten, entwanden ift.
Ein Bild in derfelben Haltung von Holbein felbft, das nach feinem
erften Aufenthalt in England entftand und mehrfach copirt ward, werden
wir fpäter erwähnen. Die gleiche Auffaffung kehrt endlich auch in dem
berühmten Holzfchnitt, von dem fpäter die Rede fein wird '), wieder.
Es fragt fich nun, welches Bild des Erasmus dasjenige war, das,
nach dem Briefe von Pirkheimer, der Maler felbft um diefe Zeit nach
Frankreich gebracht hatte? Und wohin hatte er es in Frankreich ge-
bracht? Es ift vermuthet worden: nach Paris 2); aber obgleich dies nicht
unmöglich ift, fo läfst fich doch keine Beftätigung dafür auftreiben. Eras-
mus hatte in Paris zahlreiche Freunde und Correfpondenten, aber nirgend
ift in feinen dorthin gerichteten Briefen von der Sendung des Bildes oder
von einer Empfehlung des Malers, der es überbrachte, die Rede. Viel-
leicht läfst fich aber der Sache noch auf eine andere Art auf die Spur
kommen. Haben wir aufser den Bildniffen in Longford Caftle und im
Louvre noch eins, welches ficher in diefer Zeit gemalt ift? Gewifs: das
Portrait des fchreibenden Erasmus in Bafel. Es ftammt, ebenfo wie ein
fpäter zu erwähnendes kleines Rundbild 3), aus der Amerbach'fchen Samm-
lung. Eins von beiden hatte Amerbach aus dem Nachlafs des Erasmus
erhalten; von dem andern aber ift wohl anzunehmen, dafs Erasmus es
feinem theuren jungen Freunde, feinem »goldenen Bonifacius«, fchon
früher gefchenkt. Wo aber war diefer, als das Bild entftand? — In
Frankreich.
Im Mai 1522 ging er zu einem erneuerten Aufenthalt nach Avignon,
um dort unter Alciat zu ftudiren, und kehrte erft im Mai 1524 wieder
zurück. Ift es nicht ganz wahrfcheinlich, dafs Erasmus ihm während
diefer langen Abwefenheit ein folches Liebeszeichen zufandte? Dafs
hierüber die Sammlung der Briefe nichts fagt, ift auch gar nicht zu ver-
wundern, denn von der Correfpondenz mit Bonifacius ift nur äufserft wenig
abgedruckt.
Das mit höchfter Feinheit auf der Holztafel ausgeführte Bild wanderte
alfo an einen Gönner nach England, das erfte, nur als Studie auf Papier
gemalte Exemplar vielleicht an den vertrauteften jungen Freund. Mit
einer Stadt in Frankreich, mit Lyon, hatte Holbein fogar — wenigftens
indirect — gefchäftliche Beziehungen, indem feine von Lützelburger ge-
fchnittenen Bilderfolgen, Todesbilder und Altes Teftament, dort heraus-
kamen4). Auch das trägt vielleicht dazu bei, die eben vermuthete Rich-
9 Vergl. Cap. XVI.
2) H. Grimm, Über Künftler und Kunftwerke, II., Heft VII u. VIII.
3) Vergl. Cap. XVI.
4) Vergl. oben S. 225.
SCHLUSS DER BASELER ZEIT.
Pencz gemalten Porträt zu Windfor-Caftle zu Grunde, welches 1537,
nach dem Tode des Gelehrten, entwanden ift.
Ein Bild in derfelben Haltung von Holbein felbft, das nach feinem
erften Aufenthalt in England entftand und mehrfach copirt ward, werden
wir fpäter erwähnen. Die gleiche Auffaffung kehrt endlich auch in dem
berühmten Holzfchnitt, von dem fpäter die Rede fein wird '), wieder.
Es fragt fich nun, welches Bild des Erasmus dasjenige war, das,
nach dem Briefe von Pirkheimer, der Maler felbft um diefe Zeit nach
Frankreich gebracht hatte? Und wohin hatte er es in Frankreich ge-
bracht? Es ift vermuthet worden: nach Paris 2); aber obgleich dies nicht
unmöglich ift, fo läfst fich doch keine Beftätigung dafür auftreiben. Eras-
mus hatte in Paris zahlreiche Freunde und Correfpondenten, aber nirgend
ift in feinen dorthin gerichteten Briefen von der Sendung des Bildes oder
von einer Empfehlung des Malers, der es überbrachte, die Rede. Viel-
leicht läfst fich aber der Sache noch auf eine andere Art auf die Spur
kommen. Haben wir aufser den Bildniffen in Longford Caftle und im
Louvre noch eins, welches ficher in diefer Zeit gemalt ift? Gewifs: das
Portrait des fchreibenden Erasmus in Bafel. Es ftammt, ebenfo wie ein
fpäter zu erwähnendes kleines Rundbild 3), aus der Amerbach'fchen Samm-
lung. Eins von beiden hatte Amerbach aus dem Nachlafs des Erasmus
erhalten; von dem andern aber ift wohl anzunehmen, dafs Erasmus es
feinem theuren jungen Freunde, feinem »goldenen Bonifacius«, fchon
früher gefchenkt. Wo aber war diefer, als das Bild entftand? — In
Frankreich.
Im Mai 1522 ging er zu einem erneuerten Aufenthalt nach Avignon,
um dort unter Alciat zu ftudiren, und kehrte erft im Mai 1524 wieder
zurück. Ift es nicht ganz wahrfcheinlich, dafs Erasmus ihm während
diefer langen Abwefenheit ein folches Liebeszeichen zufandte? Dafs
hierüber die Sammlung der Briefe nichts fagt, ift auch gar nicht zu ver-
wundern, denn von der Correfpondenz mit Bonifacius ift nur äufserft wenig
abgedruckt.
Das mit höchfter Feinheit auf der Holztafel ausgeführte Bild wanderte
alfo an einen Gönner nach England, das erfte, nur als Studie auf Papier
gemalte Exemplar vielleicht an den vertrauteften jungen Freund. Mit
einer Stadt in Frankreich, mit Lyon, hatte Holbein fogar — wenigftens
indirect — gefchäftliche Beziehungen, indem feine von Lützelburger ge-
fchnittenen Bilderfolgen, Todesbilder und Altes Teftament, dort heraus-
kamen4). Auch das trägt vielleicht dazu bei, die eben vermuthete Rich-
9 Vergl. Cap. XVI.
2) H. Grimm, Über Künftler und Kunftwerke, II., Heft VII u. VIII.
3) Vergl. Cap. XVI.
4) Vergl. oben S. 225.