DIE MEYER'SCHE MADONNA.
Rife faft ganz verhüllt. Diefen Schatten hat der Maler des Dresdner
Bildes fortgelaffen.
Dann laffen ficli directe Mifsverftändniffe des Copiften nachweifen.
Auf dem Darmftädter Bilde knieen die unteren Figuren hart an einer
Stufe, über welche der Teppich fällt; diefe Stufe hat der Maler des
Dresdner Bildes gar nicht gemerkt, dadurch wurde ihm die Teppich-Bor-
düre unklar, zugleich dämpfte er aber auch die Farbenpracht des ächt
orientalifchen Gewebes, wie fie das Original zeigt, durch einen einförmig
braunen Ton und brachte willkürliche Veränderungen in dem Mufter an,
Füllungen in den Ecken der Hauptquadrate und, ftatt der geradlinigen
Verzierung des Randes, S-artig gefchwungene Figuren, wie fie in orien-
talifchen Beifpielen nicht vorkommen und im Abendlande erft mit der
Spätrenaiffance vom Ende des 16. Jahrhunderts auftreten 9. Auf dem
Original trägt die Madonna ein blaues Gewand, das aber durch den
gelben Firnifs in das Grünliche fchimmert. Der Copift, der das Bild
fchon mit vergilbtem Firnifs gefehen haben mufs, gab ihr — gegen alle
Tradition — ein wirklich grünes Kleid von auffallend dunklem Ton.
Auch die Tafche des älteren Knaben ift viel dunkler als das lichtere
Grün des Originals, das Roth am Gürtel der Madonna ift nicht das
gleiche. Überhaupt hat der Urheber des Dresdner Bildes in ganz anderer
Technik und mit anderen Farben - Materialien gearbeitet. Der Fleifch-
ton geht in das Röthliche bei fehr weifsen Lichtern und zeigt nicht diefe
feine Harmonie zu der Gewandung. Die Farben find nicht, wie dies
— nach Zahn's mitgetheilten Auseinanderfetzungen — bei Holbein's Tech-
nik der Fall ift, in verfchiedener Stärke aufgetragen, fondern gleichmäfsig
flach. Der eigenthümliche Schmelz des Holbein'fchen Vortrags ift nicht
erreicht, ebenfowenig ift feine unbedingte, fcharfe Beftimmtheit in den
Umriffen vorhanden, die, in Folge eines modernen malerifchen Gefühls,
weichere Übergänge zeigen. Statt der zarten, eintönigen Schatten Hol-
bein's finden wir in dem Dresdener Bilde den Gegenfatz warmer und
kalter Töne, namentlich in den Fleifchpartien grünliche Halbtöne als
Übergang zu den bräunlichen Schatten. In den dunkleren Partien fchwin-
det die Beftimmtheit des Tons wie der Zeichnung, zum Beifpiel in den
Gewandfalten, während in dem Original zu Darmftadt auch die tiefften
Schatten durchfichtig find, vor Allem die fchwarze Schaube des Bürger-
meifters wäffrig-klar, in jeder Falte erkennbar ift. Namentlich ift aber
das Gold auf beiden Gemälden ganz verfchieden. Man blicke auf Maria's
Krone, die fich im Dresdner Bilde kaum hinreichend von dem blonden
Haar unterfcheidet, auf ihre goldbrokatenen Unterärmel, die dabei in der
Copie auch recht charakterlos gezeichnet find. Statt des aufgelegten
') Nach Zeugnifs des Dr. Julius Leffing.
Rife faft ganz verhüllt. Diefen Schatten hat der Maler des Dresdner
Bildes fortgelaffen.
Dann laffen ficli directe Mifsverftändniffe des Copiften nachweifen.
Auf dem Darmftädter Bilde knieen die unteren Figuren hart an einer
Stufe, über welche der Teppich fällt; diefe Stufe hat der Maler des
Dresdner Bildes gar nicht gemerkt, dadurch wurde ihm die Teppich-Bor-
düre unklar, zugleich dämpfte er aber auch die Farbenpracht des ächt
orientalifchen Gewebes, wie fie das Original zeigt, durch einen einförmig
braunen Ton und brachte willkürliche Veränderungen in dem Mufter an,
Füllungen in den Ecken der Hauptquadrate und, ftatt der geradlinigen
Verzierung des Randes, S-artig gefchwungene Figuren, wie fie in orien-
talifchen Beifpielen nicht vorkommen und im Abendlande erft mit der
Spätrenaiffance vom Ende des 16. Jahrhunderts auftreten 9. Auf dem
Original trägt die Madonna ein blaues Gewand, das aber durch den
gelben Firnifs in das Grünliche fchimmert. Der Copift, der das Bild
fchon mit vergilbtem Firnifs gefehen haben mufs, gab ihr — gegen alle
Tradition — ein wirklich grünes Kleid von auffallend dunklem Ton.
Auch die Tafche des älteren Knaben ift viel dunkler als das lichtere
Grün des Originals, das Roth am Gürtel der Madonna ift nicht das
gleiche. Überhaupt hat der Urheber des Dresdner Bildes in ganz anderer
Technik und mit anderen Farben - Materialien gearbeitet. Der Fleifch-
ton geht in das Röthliche bei fehr weifsen Lichtern und zeigt nicht diefe
feine Harmonie zu der Gewandung. Die Farben find nicht, wie dies
— nach Zahn's mitgetheilten Auseinanderfetzungen — bei Holbein's Tech-
nik der Fall ift, in verfchiedener Stärke aufgetragen, fondern gleichmäfsig
flach. Der eigenthümliche Schmelz des Holbein'fchen Vortrags ift nicht
erreicht, ebenfowenig ift feine unbedingte, fcharfe Beftimmtheit in den
Umriffen vorhanden, die, in Folge eines modernen malerifchen Gefühls,
weichere Übergänge zeigen. Statt der zarten, eintönigen Schatten Hol-
bein's finden wir in dem Dresdener Bilde den Gegenfatz warmer und
kalter Töne, namentlich in den Fleifchpartien grünliche Halbtöne als
Übergang zu den bräunlichen Schatten. In den dunkleren Partien fchwin-
det die Beftimmtheit des Tons wie der Zeichnung, zum Beifpiel in den
Gewandfalten, während in dem Original zu Darmftadt auch die tiefften
Schatten durchfichtig find, vor Allem die fchwarze Schaube des Bürger-
meifters wäffrig-klar, in jeder Falte erkennbar ift. Namentlich ift aber
das Gold auf beiden Gemälden ganz verfchieden. Man blicke auf Maria's
Krone, die fich im Dresdner Bilde kaum hinreichend von dem blonden
Haar unterfcheidet, auf ihre goldbrokatenen Unterärmel, die dabei in der
Copie auch recht charakterlos gezeichnet find. Statt des aufgelegten
') Nach Zeugnifs des Dr. Julius Leffing.