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Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0458
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402 HOLZSCHNITTE, SPOTTBILDER, MINIATUREN.

entfchieden und klar find, ift der Gegenftand gegeben, die fparfamen An-
deutungen der Schattirung find durch einfache Parallellinien verfucht, und
nirgend kommt eine Kreuzfchraffirung vor, auf jedes zartere Detail ift
verzichtet, und wieviel trotzdem erreicht ift, fogar im Ausdruck der Ge-
fichter, das verdient ftudirt zu werden.
John Leland, deffen Nänie Wyat's jenen Holbein'fchen Kopf ent-
hält, gab unmittelbar nachher eine Schrift heraus, welche gleichfalls einige
Holzfchnitte nach Erfindungen unferes Meifters aufweift: »Genethliacon
illußrifßmi Eäduerdi Principis Cambriae« etc., ein etwas verfpätetes Ge-
dicht auf die Geburt des Prinzen von Wales, das 1543 und zwar bei
demfelben Verleger wie die Nänie, Reinhold Wolfe, erfchien. Diefer
Drucker war ein Landsmann unferes Malers, nämlich jedenfalls deutfchen
Urfprungs und wahrfcheinlich zu der berühmten Buchdruckerfamilie in
Bafel gehörend; da lag es um fo näher, dafs Holbein zu ihm in Bezie-
hung trat1). Auf der Rückfeite des Titels fieht man zunächft die Devife
des Prinzen von Wales, die Worte ICH DIEN unter einer Krone von
Straufsenfedern, von einer Sonnenglorie umftrahlt 2). Als Initiale ift hier
wie in anderen Drucken Wolfe's ein S. mit Curius Dentatus, der die Ge-
fchenke der Samniter zurückweift, verwendet3). Die Compofition des
ausdrucksvollen und ächt dramatifchen Bildchens ift ganz dem früheren
Bafeler Rathfaal-Gemälde verwandt4). In gleichzeitigen Drucken kommt
auch noch eine andere Initiale von Holbein, H mit Ifaak der den Jacob
fegnet, vor5). Bei diefen Bildern möchte man für wahrfcheinlich halten,
dafs Wolfe fie in feiner Heimat habe fchneiden laffen. Ganz unzweifel-
haft ift dies vollends bei einem fehr fchönen Holzfchnitt, dem Drucker-
zeichen des Reinhold Wolfe6). (Vergl. die Abbildung S413.) Es illuftrirt
feinen Wahlfpruch » Claritas« in anmuthigfter Weife durch eine Schilderung
der liebevollen Freigebigkeit, die fich durch den Undank nicht ftören läfst,
mit dem die Welt ihr lohnt. Das Bild vom »Wirthe wundermild« hat
Holbein für die Charitas gewählt, vom fruchtbeladenen Apfelbaum, den
die Knaben plündern, nicht zufrieden mit dem was er ihnen freiwillig
gefchenkt hat, — daffelbe Motiv, welches ein bekanntes Gedicht von
Friedrich Rückert behandelt. Hier ift die technifche Ausführung des
Formfchnittes zart und charaktervoll zugleich und das Bildchen darf

') Vergl. Detmold, Über ein paar Holbein'fche Formfchnitte. Archiv für die zeichnen-
den Künfte, II. S. 136 f.

2) Nr. 205.

3) Als Initiale diefes Capitels benutzt: Nr. 269.

4) Vergl. S. 165.

5) Nr. 270.

6) Nr. 249.
 
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