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Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0531
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BILDNISSE DES HERZOGS VON NORFOLK UND SEINES SOHNES. 471
Zeit hatte die Politik des Königs ihm minder entfprochen, doch wufste
er trotzdem feine hohen Würden und feine Stimme im Rathe zu bewahren
und hatte jetzt endlich über die Gegenpartei den Sieg davongetragen.
Holbein bildete ihn im Alter von 66 Jahren ab1). Nun meldet, foweit
wir Kunde haben, freilich keine fichere Quelle Norfolk's Geburtsjahr,
doch da er fchon gegen 1499 als ein Jüngling bei Hofe auftritt, ift er
wahrfcheinlich gegen die Mitte der fiebenziger Jahre geboren.
Norfolk's Bildnifs in Windfor Caftle fteht mit den gröfsten Meifter-
werken des Künftlers auf gleicher Lienie, mag auch das Geficht durch
Tränken des Bildes mit Öl, welches in die Farbenriffe eingedrungen ift,
gelitten haben. Er erfcheint bartlos, mit einem Barett bedeckt und trägt
ein dunkles Oberkleid mit Hermelinbefatz, welches die rothen Ärmel des
Wammfes zum Vorfchein kommen läfst; um feinen Hals hängt die Kette
des Hofenbandordens, in der Linken hält er den weifsen Stab des Lord-
kammerherrn, in der Rechten den goldenen Stab des Grofs - Marfchalls
von England. In den mageren, ausdrucksvollen Händen offenbart fich
der Charakter des Staatsmanns ebenfo fichtlich wie in dem verfchloffenen,
geiftig überlegenen Geficht.
Auch feinen Sohn Henry Howard, Earl of Surrey, malte Holbein
um diefe Zeit. Das Gemälde fcheint jetzt verfchollen zu fein, wir kennen
es nur aus Fruytier's Copie nach van Dyck's Familienbild des Thomas
Howard Earl of Arundel and Surrey, welche Lord Stafford gehört.
Da fitzt jener berühmte Holbein-Verehrer mit Weib und Kindern, und
die Bildniffe feiner Vorfahren von Holbein's Hand, das befchriebene Por-
trät des Herzogs und dajenige Surrey's, beide mit lesbaren Infchriften,
hängen an der Wand. Surrey, ein fünfundzwanzigjähriger Jüngling2),
trägt ein fchwarzes Barett mit einer Feder und einen fchwarzen Mantel,
aus welchem die rechte Hand hervorfchaut. Er, welcher fich in Italien
bewegt hatte, weifs, dafs einer wahrhaft ariftokratifchen Erfcheinung ge-
wählte Einfachheit beffer entfpricht, als der Glanz und die Überladung,
an welche man in England gewöhnt war. Sein gegen rechts gewandter
Kopf mit röthlich-blondem Haar und zartem Bart, langem Kinn und leb-
haften braunen Augen, ift ritterlich, geiftvoll und nicht ohne einen intri-
guanten Zug. Zwei Zeichnungen nach dem Leben für dies Bild kommen
in der Windforfammlung vor, und hier erfcheint er aufserdem noch ein
drittes Mal als ein halberwachfener Knabe3). Auch feine Gemahlin,

') Verz. der Werke, Windfor Caftle.

2) Bezeichnung, auf himmelblauem Grunde: HENRY. HOWARD. ERLE OF SVRRY.
ANNO. AETATIS. SV/E. 25. Geft v. Hollar, Parthey. Nr. 1509.

3) Diele drei Porträte tragen die irrige Benennung »Thomas Howard Earl of Surrey.«
Diefer war fein Sohn, der 1572 wegen feiner Anhänglichkeit an Maria Stuart hingerichtet ward,
aber bei Holbein's Tode noch ein Knabe von etwa fieben Jahren war.
 
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