III. BILDNISSE DES ERASMUS.
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b. Bildnisse des Erasmus von Holbein um das Jahr 1530.
S. 357 des ersten Bandes habe ich das in Parma befindliche Bild
des Erasmus von Holbein erwähnt, welches mit der Jahrzahl 1530 be-
zeichnet ih'). In dieselbe Zeit fällt das ganz übereinstimmende, nur
kleinere Bildniss in Turin, gleichfalls von Holbein's eigener Hand2).
An jener Stelle habe ich das kleinere Rundbild in Basel, von dem so
viele Copien und Wiederholungen vorkommen, in dieselbe Zeit gesetzt.
Höchst interessant ist nun, dass sich kürzlich eine unerwartete historische
Beglaubigung dafür gefunden, dass Holbein den Erasmus damals gemalt
hat. Die Belege finden sich in einer im bischössichen Archive zu Frauen-
burg bewahrten Humanisten-Correspondenz und sind von M. Curtze in
dem Beiblatt der Zeitschrift für bildende Kunst, IX, Sp. 537 ff. verösfent-
licht worden. Goelenius, Professor der Theologie in Löwen, besass ein
Porträt des Erasmus von Holbein (ab Joanne Hoelpeyno, artifice in eo
genere, ut periti censent, praestantissimo, grafice et ad vivuin expressam).
Johannes Dantiscus, damals Bischof von Kulm und Gesandter des
Königs von Polen am kaiserlichen Hofe, wünschte, sich dieses Bildniss
durch einen Maler in Mecheln copiren zu lassen. Hiervon handelt ein
Brief, den Johannes Campensis in Loewen am 16. April 1531 an
Dantiscus nach Gent schrieb. Goelenius aber bot diesem gleich Hol-
bein's Original in einem höchst freundschaftlichen und schmeichelhaften
Briefe vom 1. Mai zum Geschenk an. Dantiscus erkundigte sich zunächst
nach der Entstehungszeit des Bildes, woraus Goelenius antwortete: „ Wie
alt Erasmus war, als dies Porträt gemalt wurde, kann ick dir im Augen-
blick nickt genau fagen, ick werde dir aber in kurzem Nackrickt darüber
zu verfekaffen fachen." Es scheint also, dass dieses Bild noch zu der
älteren Serie der Erasmusbildnisse (aus dem Jahre 1523) gehörte. Aber
Dantiscus wollte das Bildniss wieder zurücksenden, ihm sehlen offenbar
ein solches Geschenk ein zu grosses Opfer von Seiten des Freundes, und
er kleidete wohl diese Ablehnung in die Form, dass er lieber ein späteres
Bildniss des Erasmus zu erhalten sachen würde. Nun antwortet Goele-
nius am 2. Juni, indem er die Zurücksendung lebhast bedauert: Glück-
licherweife bin ich mit Holbein fo nahe befreundet'3), dass ich von ihm Alles
erlangen kann, und fo hoffe ick dir demnäckft ein in diefem fahre gemaltes
Bildnifs vorlegen zu können, du magft dir dann von den beiden das aus-
wählen, das dir am beften gefällt."
Ein Porträt des Erasmus von Holbein hat demnach Dantiscus, später
Bischof von Ermeland, sicher besessen. Herr M. Curtze macht darauf
1) Vgl. auch das Verz. der Werke.
2) Wie ich überzeugt bin, seit ich es im
Jahre 1874 selbst gesehen.
3) Ea mihi est necessitudo cum Hoel-
peyno.
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b. Bildnisse des Erasmus von Holbein um das Jahr 1530.
S. 357 des ersten Bandes habe ich das in Parma befindliche Bild
des Erasmus von Holbein erwähnt, welches mit der Jahrzahl 1530 be-
zeichnet ih'). In dieselbe Zeit fällt das ganz übereinstimmende, nur
kleinere Bildniss in Turin, gleichfalls von Holbein's eigener Hand2).
An jener Stelle habe ich das kleinere Rundbild in Basel, von dem so
viele Copien und Wiederholungen vorkommen, in dieselbe Zeit gesetzt.
Höchst interessant ist nun, dass sich kürzlich eine unerwartete historische
Beglaubigung dafür gefunden, dass Holbein den Erasmus damals gemalt
hat. Die Belege finden sich in einer im bischössichen Archive zu Frauen-
burg bewahrten Humanisten-Correspondenz und sind von M. Curtze in
dem Beiblatt der Zeitschrift für bildende Kunst, IX, Sp. 537 ff. verösfent-
licht worden. Goelenius, Professor der Theologie in Löwen, besass ein
Porträt des Erasmus von Holbein (ab Joanne Hoelpeyno, artifice in eo
genere, ut periti censent, praestantissimo, grafice et ad vivuin expressam).
Johannes Dantiscus, damals Bischof von Kulm und Gesandter des
Königs von Polen am kaiserlichen Hofe, wünschte, sich dieses Bildniss
durch einen Maler in Mecheln copiren zu lassen. Hiervon handelt ein
Brief, den Johannes Campensis in Loewen am 16. April 1531 an
Dantiscus nach Gent schrieb. Goelenius aber bot diesem gleich Hol-
bein's Original in einem höchst freundschaftlichen und schmeichelhaften
Briefe vom 1. Mai zum Geschenk an. Dantiscus erkundigte sich zunächst
nach der Entstehungszeit des Bildes, woraus Goelenius antwortete: „ Wie
alt Erasmus war, als dies Porträt gemalt wurde, kann ick dir im Augen-
blick nickt genau fagen, ick werde dir aber in kurzem Nackrickt darüber
zu verfekaffen fachen." Es scheint also, dass dieses Bild noch zu der
älteren Serie der Erasmusbildnisse (aus dem Jahre 1523) gehörte. Aber
Dantiscus wollte das Bildniss wieder zurücksenden, ihm sehlen offenbar
ein solches Geschenk ein zu grosses Opfer von Seiten des Freundes, und
er kleidete wohl diese Ablehnung in die Form, dass er lieber ein späteres
Bildniss des Erasmus zu erhalten sachen würde. Nun antwortet Goele-
nius am 2. Juni, indem er die Zurücksendung lebhast bedauert: Glück-
licherweife bin ich mit Holbein fo nahe befreundet'3), dass ich von ihm Alles
erlangen kann, und fo hoffe ick dir demnäckft ein in diefem fahre gemaltes
Bildnifs vorlegen zu können, du magft dir dann von den beiden das aus-
wählen, das dir am beften gefällt."
Ein Porträt des Erasmus von Holbein hat demnach Dantiscus, später
Bischof von Ermeland, sicher besessen. Herr M. Curtze macht darauf
1) Vgl. auch das Verz. der Werke.
2) Wie ich überzeugt bin, seit ich es im
Jahre 1874 selbst gesehen.
3) Ea mihi est necessitudo cum Hoel-
peyno.