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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0016
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Fünftes Buch. Die Malerei der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Vorherr-
fchaft der
italienischen
Kunft.

Beliebtheit
der
Meifter.

geftattete.
italienifche Kunft behauptete in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
die Vorherrfchaft, die fie ihren Grofsthaten in deffen erfter Hälfte ver-
Ganz Europa beugte fich unter ihr Joch, wenngleich fich gleichzeitig

Aus Gründen, die fpäter erörtert werden muffen, erlebt fie in
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter Tintoretto und Paolo Veronese
neue Blüthe, deren frifchefte Schöpfungen die höchften malerifchen Leiftungen
Zeit waren und zu den höchften aller Zeiten gehören.
Uebrigens kam es nur einzelnen Kennern in diefer Zeit zum Bewufstfein,
die Kunft im Verfall war; im allgemeinen wurden die Meifter diefer Tage,

dafs
auch die manierirteften, ja, diefe oft am meiften, von ihren Zeitgenoffen mit
Beifall überfchüttet, und ihre Werke wurden von den Stechern über die ganze
Welt verbreitet. Hatten die grofsen Vollender der Kunft die Welt doch daran
gewöhnt, bewundernd zu den Künftlern aufzufchauen und das Bedürfnifs geweckt,
fich durch die Schöpfungen des Pinfels dem Staube des täglichen Lebens
entrücken zu laffen! Die Meifter hatten es alfo gut. Ueberall gab es vollauf

motiven, denen fie entfprachen; daher das Spiel mit dem Helldunkel Correggio's
ohne deffen zauber duftige Geiftesftimmung. Ueberall fehlt die Frifche; überall
merken wir die Abficht; überall werden wir an längft bekannte ältere Kunft-
werke erinnert; und trotz der warmen Färbung, die wenigftens einige der
Manieriften erftreben, ift ihr Gefammteindruck kalt und langweilig; trotz ihrer
forgfältigen Compofitionsftudien erfcheint ihre Anordnung fchablonenhaft und
conventionell; trotz ihres bewufsten Strebens nach Ausdruck haftet ihnen eine
erfchreckende geiftige Leere an. Sie verfügen über eine bedeutende malerifche
Technik und über eine grofse Leichtigkeit der Hand; aber ihren hiftorifchen
Compofitionen läfst fich in der Regel doch alles andere eher nachrühmen, als
malerifcher Reiz. Nur wo fie gezwungen find, fich einfach an die Natur zu halten,
wie im Bildnifsfache, tritt ihre bedeutende Auffaffungsgabe und ihre glänzende
Technik unverfälfcht zu Tage; und gerade ihre Bildniffe zeigen uns, dafs manche
von ihnen von Haus aus begabter find, als viele der früheren, aufftrebenden
Meifter, denen fie in unterer Werthfehätzung nur deshalb nachftehen, weil der
Fluch des Epigonenthumes, der auf ihnen laftete, ihnen keine felbftändige, freiere
Regung
Die
fiegreich
dankte,
in Frankreich, in Spanien und vor allen Dingen im germanifchen Norden fchon
die Regungen der nationalen Richtung verfolgen laffen, die im 17. Jahrhundert
in diefen Ländern fo glänzend ihr Haupt erheben füllte. Die Meifter, welche
die Zeit felbft am höchften fchätzte, waren überall die Nachahmer der Italiener;
und je weiter entfernt fie vom Heerde der italienifchen Grofskunft wirkten, je
verfchiedener alfo auch ihr angeborenes Empfinden von demjenigen der Italiener
war, defto unangenehmer trat ihr Manierismus zu Tage. Die Italiener felbft
fuhren in diefer Beziehung daher noch am beften; doch Nachahmung ift Nach-
ahmung; und eine abgeleitete Kunft ift die ihre in diefem Zeitraum fo gut wie
diejenige der übrigen Völker. Nur werden uns in allen italienifchen Schulen
diefer Zeit noch einzelne Meifter begegnen, die, ohne dem Gefammtcharakter
der Zeit untreu zu werden und ihre grofsen Vorbilder zu verleugnen, doch
eine felbftändige Bedeutung beanfpruchen können; und eine italienifche Schule,
die venezianifche, einfchliefslich der veronefifchen, ift überhaupt als Ausnahme
zu bezeichnen.
der
eine
der
 
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