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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0044
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32

Fünftes Buch. Erfter Abfchnitt.

Seine
weltlichen
Einzelbilder.

Seine
Bildniffe.

Die Bilder
aus dem
Pal. Cuccina
in Dresden.

Weitere
dekorative
Arbeiten.

Villa Tiene.

Villa zu
Maler.

rechnen wir die Familie des Darius in der Londoner Nationalgalerie, den Raub
der Europa in der Capitolinifchen Galerie zu Rom, die allegorifchen Bilder aus
der Galerie Orleans in englifchem Privatbefitze, das urfprünglich als Wandbild
gemalte Concert in der Pinakothek zu Verona und den als Deckenbild gedachten
Donnerer Jupiter im Louvre zu Paris. Als Bildnifsmaler war Paolo mit Tinto-
retto verwandt, ohne jedoch auch hier feine veronefifche Eigenart mit ihren
helleren Tönen zu verleugnen. Zu nennen find die Bildniffe Marcantonio Bar-
baro’s in der Wiener, Daniele Barbaro’s in der Dresdner Galerie, das Krieger-
bild der Pinakothek zu Verona, das männliche Bildnifs der Uffizien, die Frauen-
porträts im Palazzo Doria zu Rom, im Louvre zu Paris und im Pal. Brignole
zu Genua, denen das reiche, mit der Anbetung der Könige, der Kreuztragung
und der Hochzeit zu Cana als Gegenftücken für den Palaft der Cuccina1) in
Venedig gemalte Gruppenbild der Dresdner Galerie fich anreiht, welches die
Mitglieder der Familie Cuccina, von den Geftalten des Glaubens, der Liebe und
der Hoffnung zum Throne der Mutter Gottes geleitet, darftellt.
Um Paolo voll zu würdigen müffen wir jedoch nach wie vor zu feinen decora-
tiven Arbeiten zurückkehren. Was er an Faffaden und in Privatpaläften Venedigs
gemalt, ift untergegangen. Jenen frühen feftländifchen Villendecorationen aber
reihen fich aus feiner reiferen Zeit zunächft diejenigen der Villa Tiene bei
Vicenza an (1560—1561). Zelotti war hier wieder fein Genoffe. Die genre-
haften Darftellungen des Tanzes, des Spiels, der Jagd und des Fefteffens im
oberen Stockwerke find leider faft völlig zu Grunde gegangen; die prunkvollen
Darftellungen aus der alten Gefchichte im unteren Stockwerke aber find in
völliger Frifche erhalten. Noch bedeutender jedoch find die Fresken, welche
Paolo, ebenfalls unter Zelotti’s Beiftand, um 1566 in der von Palladio erbauten
Villa der Barbari zu Mafer bei Trevifo ausführte2). Herrlich ift hier fchon die
Architekturmalerei, welche die Gedanken des Baumeifters weiter ausfpinnt;
köftlich in ihrem Formenrhythmus, ihrer Farbenharmonie und ihrer feelifchen
Vertiefung find die acht Frauengeftalten mit mufikalifchen Inftrumenten in der
Kreuzhalle (Fig. 433). Die gemalten Thüren, durch welche ein Page und ein
Landmädchen einzutreten fcheinen, reihen fich als Vorläufer der Barockzeit dem
ähnlichen Scherze in der Sebaftianskirche an. Neue Bahnen aber betrat Paolo

auch in den decorativen Landfchaftsfresken der beiden einzeln gelegenen
Vordergemächer; diefe gehören zu den frühften von jeder hiftorifchen Staffage
emancipirten Landfchaftsbildern, die fich erhalten haben; doch fügen fie fich
wegen der Abficht des Meifters — fei dies nun Paolo felbft oder Zelotti gewefen—,
den Glauben des Befchauers zu wecken, dafs er durch die ionifchen Säulen
direct ins Freie blicke, faft noch beffer der Klaffe jener perfpectivifchen Scherze
als der felbftändigen Landfchaftsmalerei ein. Im Salon tritt dann die griechifche
Götterwelt, fchönheitsdurftig und fchönheitsgewährend, ganz in ihre Rechte;
vom Tonnengewölbe lacht der ganze felige Olymp herab (Fig. 434); unmittelbar
daneben aber treten uns wieder genrehafte Geftalten im Zeitcoftüm entgegen.

1} Ad. Venturi, La R. Galleria Eftenfe. Modena 1882. p. 234—235.
2) C/z. Yriarie in »L’Art« 1875, IH- 1876, I. Alfr. Woltmann in der Deutfchen Rund-
fcliau, I. Heft 12.
 
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