Die italienifche Malerei des 17. Jahrhunderts, B. Die Schule der Carracci und ihre Ausläufer. 16(4
ausgetretenen Gleife vermochte er nicht zu überfchreiten; die Nachwelt fieht
auch in ihm nicht viel mehr, als einen routinirten, wenngleich forgfältigen
Durchfchnittsmeifter. Von feinen Fresken kommen, aufser einigen kleineren ^es'"®n
Feldern in der Kirche S. Michele in Bosco bei Bologna, hauptfächlich die
Gemälde in der achteckigen Kuppel der Capelle der Madonna del fuoco im Dom
zu Forli in Betracht, wo er die letzten Jahrzehnte feines langen Lebens zu-
brachte und ftarb. Das Hauptftück diefer Malereien Feilt die Himmelfahrt
der Jungfrau dar. Die Feftfreude der Forlivefer, als es im Jahre 1706 enthüllt
wurde, hallte in ganz Italien wieder. Es war kein Werk der Schnellmalerei
im Sinne Lanfranco’s und feiner Schule, fondern eine forgfältige, durch langjährige
Mühe zuftande gekommene Arbeit, die in der That noch heute zu den beften
Kuppelgemälden der Welt gezählt werden mufs. Seine Staffeleibilder find
in ganz Europa zerftreut. Charakteriftifch ift z. B. die effektvolle und färben- bilder-
frifche »Flucht Jofephs vor Potiphars Weib« in der Dresdner Galerie. Am
beften aber ift er in der Münchner Pinakothek mit den Bildern vertreten, die
er für den Kurfürften Johann Wilhelm von der Pfalz gemalt hatte, mit dem
grofsen, keineswegs empfindungslofen Gemälde der Himmelfahrt Mariae und
mit der heiteren Darftellung der Kindheit Jupiters, die 1714 nach Düffeldorf
abging und als das letzte Werk feines Pinfels bezeichnet wird. Von feinen
Schülern fetzte Marc. Ant. Franceschini (164.8—1729 ff deffen büfsende »Mag- Tirc- Ant-
dalena zwifchen tröftenden Frauen« in der Dresdner Galerie eine gute Vor- chini-
Heilung von feinem Wollen und Können giebt, die Ueberlieferungen der
Bolognefer Schule eine Weile noch ganz in der alten Weife, fpäter mit immer
raffinirteren und gefuchteren Wirkungen, aber auch mit immer verblafenerer
Ausführung fort, wogegen Gius. Maria Crefpi (1665—1747)1 2), der von feiner Gi^cJ4aria
Vorliebe für die fpanifche Tracht den Beinamen »Zo Spagnuolo«., der Spanier,
erhielt, als Maler und Radirer 3) eine andere, fcheinbar durch Ribera mitbeein-
flufste, breite, flotte, auf die Gefammtwirkung ausgehende Richtung verfolgte.
Seine Gemälde waren mit ihrer oft etwas formlofen Zeichnung, mit ihren
dunklen Schatten, ihrem einheitlich bräunlichen, alle Localfarben auflöfenden
Tone, ihrer kräftig naturaliftifchen Charakteriftik und ihrem durch raffinirt
malerifche Mittel erhöhten düfteren Leidenspathos ein Schrecken der erften,
clafficiftifchen Hälfte unteres Jahrhunderts, wogegen wir ihnen heutzutage in
ihrer entfchieden malerifchen Eigenart wieder ein wärmeres Intereffe abzu-
gewinnen vermögen. In Italien fehe man nur »die Ohnmacht des hl. Stanis-
laus« im Gefü zu Ferrara und die Beichtfcene in der Turiner Galerie, in
Deutfchland nur die zwölf Bilder Giufeppe Marias in der Dresdner Galerie,
befonders die trotz ihres wüften Aeufseren geiftvollen heben Sacramentsbilder
darauf hin an!
Neben allen diefen Malern, deren Kunft von Guido Reni und Albani ab- GeeIclI10’s
' bchule.
flammt, kommen für die Schule von Bologna zunächft noch einige Schüler
Guer cino ’s4) in Betracht. Als folcher ift fein Bruder Paolo Ant. Barbieri ^.^eri
1) G. P. Zanotti a. a. O. I, p. 219—246.
2) G. P. Zanotti a. a. O. II, p. 31 — 73. Luigi Crefpi: Felfina pittrice p. 201—231.
3) Vgl- Bartfeh, XIX, p. 394—411.
4) Jac. Al. Calvi a. a. O. (2. Aufl. Boi. 1842) p. 29 — 34.
ausgetretenen Gleife vermochte er nicht zu überfchreiten; die Nachwelt fieht
auch in ihm nicht viel mehr, als einen routinirten, wenngleich forgfältigen
Durchfchnittsmeifter. Von feinen Fresken kommen, aufser einigen kleineren ^es'"®n
Feldern in der Kirche S. Michele in Bosco bei Bologna, hauptfächlich die
Gemälde in der achteckigen Kuppel der Capelle der Madonna del fuoco im Dom
zu Forli in Betracht, wo er die letzten Jahrzehnte feines langen Lebens zu-
brachte und ftarb. Das Hauptftück diefer Malereien Feilt die Himmelfahrt
der Jungfrau dar. Die Feftfreude der Forlivefer, als es im Jahre 1706 enthüllt
wurde, hallte in ganz Italien wieder. Es war kein Werk der Schnellmalerei
im Sinne Lanfranco’s und feiner Schule, fondern eine forgfältige, durch langjährige
Mühe zuftande gekommene Arbeit, die in der That noch heute zu den beften
Kuppelgemälden der Welt gezählt werden mufs. Seine Staffeleibilder find
in ganz Europa zerftreut. Charakteriftifch ift z. B. die effektvolle und färben- bilder-
frifche »Flucht Jofephs vor Potiphars Weib« in der Dresdner Galerie. Am
beften aber ift er in der Münchner Pinakothek mit den Bildern vertreten, die
er für den Kurfürften Johann Wilhelm von der Pfalz gemalt hatte, mit dem
grofsen, keineswegs empfindungslofen Gemälde der Himmelfahrt Mariae und
mit der heiteren Darftellung der Kindheit Jupiters, die 1714 nach Düffeldorf
abging und als das letzte Werk feines Pinfels bezeichnet wird. Von feinen
Schülern fetzte Marc. Ant. Franceschini (164.8—1729 ff deffen büfsende »Mag- Tirc- Ant-
dalena zwifchen tröftenden Frauen« in der Dresdner Galerie eine gute Vor- chini-
Heilung von feinem Wollen und Können giebt, die Ueberlieferungen der
Bolognefer Schule eine Weile noch ganz in der alten Weife, fpäter mit immer
raffinirteren und gefuchteren Wirkungen, aber auch mit immer verblafenerer
Ausführung fort, wogegen Gius. Maria Crefpi (1665—1747)1 2), der von feiner Gi^cJ4aria
Vorliebe für die fpanifche Tracht den Beinamen »Zo Spagnuolo«., der Spanier,
erhielt, als Maler und Radirer 3) eine andere, fcheinbar durch Ribera mitbeein-
flufste, breite, flotte, auf die Gefammtwirkung ausgehende Richtung verfolgte.
Seine Gemälde waren mit ihrer oft etwas formlofen Zeichnung, mit ihren
dunklen Schatten, ihrem einheitlich bräunlichen, alle Localfarben auflöfenden
Tone, ihrer kräftig naturaliftifchen Charakteriftik und ihrem durch raffinirt
malerifche Mittel erhöhten düfteren Leidenspathos ein Schrecken der erften,
clafficiftifchen Hälfte unteres Jahrhunderts, wogegen wir ihnen heutzutage in
ihrer entfchieden malerifchen Eigenart wieder ein wärmeres Intereffe abzu-
gewinnen vermögen. In Italien fehe man nur »die Ohnmacht des hl. Stanis-
laus« im Gefü zu Ferrara und die Beichtfcene in der Turiner Galerie, in
Deutfchland nur die zwölf Bilder Giufeppe Marias in der Dresdner Galerie,
befonders die trotz ihres wüften Aeufseren geiftvollen heben Sacramentsbilder
darauf hin an!
Neben allen diefen Malern, deren Kunft von Guido Reni und Albani ab- GeeIclI10’s
' bchule.
flammt, kommen für die Schule von Bologna zunächft noch einige Schüler
Guer cino ’s4) in Betracht. Als folcher ift fein Bruder Paolo Ant. Barbieri ^.^eri
1) G. P. Zanotti a. a. O. I, p. 219—246.
2) G. P. Zanotti a. a. O. II, p. 31 — 73. Luigi Crefpi: Felfina pittrice p. 201—231.
3) Vgl- Bartfeh, XIX, p. 394—411.
4) Jac. Al. Calvi a. a. O. (2. Aufl. Boi. 1842) p. 29 — 34.