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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0250
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2ß8 Sechstes Buch. Zweiter Abfchnitt.
fchriebene Meifterwerk, durch welches er zugleich den mittelalterlichen Roman
fatirifch vernichtete und ein bis auf den heutigen Tag gütiges Mufter des
l°p J de Romanes der Neuzeit hinftellte; Lope de Vega, der 1635 unter Philipp IV. in
Madrid geftorbene fruchtbarfte aller fruchtbaren Dichter, zeigte in den un-
zähligen Schaufpielen und Luftfpielen, mit denen er das Theater feines Vater-
landes bereicherte, die Möglichkeit, aus den Vorausfetzungen und Empfindungen
des eigenen Volkes heraus, unbekümmert um die alten Griechen und Römer,
eine nationale Schaubühne zu fchaffen, und wurde dadurch einer der Begründer
Caideron. des gelammten modernen Dramas; Calderon de la Barca endlich, der im
Januar 1600 geborene, 1651 in den geiftlichen Stand getretene, erft 1682 unter
Karl II. geftorbene poetifchfte aller fpanifchen Poeten, brachte das Schaufpiel
der Halbinfel nicht nur feiner Form und feiner Diction, fondern auch feinem echt-
fpanifchen, durch und durch katholifchen, manchmal abftofsend einfeitigen und
leidenfchaftlich-fanatifchen, zugleich aber finnlich-blühenden, beraufchend-fchwär-
merifchen und myftifch-romantifchen Geifte nach zur höchften Vollendung. Er ift
für alle Zeiten und Völker der klaffifche Dramatiker des Katholicismus.
Diefer nationalen Entfaltung der fpanifchen Poefie ging eine nicht minder
d^n Künfte' herrliche Entwickelung der bildenden K ü n ft e parallel. So eigenartig aber
Die auch die fpanifche Bildner ei des 17. Jahrhunderts in ihrer faft ausfchliefslichen
Bildnerei.
Kirchlichkeit, in ihrer entfchloffenen, farbenglühenden Polychromie, in ihrer
naturaliftifchen und doch feinen Formengebung auftrat, fo erwies fich nach wie
Die Malerei, vor doch die M a 1 e r e i als die eigentliche fpanifche Nationalkunft; ja, jetzt erft
Ihre fehen wir die fpanifche Malerei, aller Feffeln des Germanismus und des Italis-
SdbftTndig- mus ledig, im Vollbefitze der mächtigften technifchen Mittel der Zeit, ihre eigenen
keit' Wege gehen und ihre eigenen Ziele erreichen. Dafs fie im 17. Jahrhundert alle
und jede niederländifchen oder italienifchen Einflüffe abgelehnt habe, foll damit
nicht gefagt fein; aber es foll im Voraus betont fein, dafs gerade in Bezug auf
die gröfsten fpanifchen Maler, auf Meifter wie Velazquez und Murillo, von der-
artigen Einflüffen nicht entfernt in dem Sinne die Rede fein kann, wie es hier
und da gefchehen ift. Dafs auch fie von anderen gelernt haben, verficht fich
von felbft; aber fie haben die fremden Elemente, von denen fie beeinflufst
worden, fo innerlich verarbeitet, dafs fie in ihren Werken nicht mehr zu Tage
treten und mit der aus ihrer eigenen nationalen Ueberzeugung hervorgewachfenen
Kunftweife zu einem felbftändigen, durch und durch nationalen Ganzen ver-
fchmolzen erfcheinen.
vSfeidg6 Der Vorzug der Vielfeitigkeit aber läfst fich der fpanifchen Malerei auch
keit. im 17. Jahrhundert nicht nachrühmen. Der Geift der Inquifition laftet immer
noch auf ihr; finnlich-weltliche, heidnifch-mythologifche und felbft poetifch-hifto-
rifche Darftellungen gehören in ihr zu den Seltenheiten und erfcheinen in den
wenigen Fällen, wo fie nicht verfchmäht werden, beim erften Anblick faft als
Zerrbilder der hergebrachten Auffaffung folcher Gegenftände; auch die Land-
fchaftsmalerei, in welcher die fpanifche Inquifition vielleicht den pantheiftifchen
Beigefchmack (vgl. oben, S. 112) herausgefunden hätte, fpielt keine hervor-
ihre beiden ragende Rolle unter den Werken der grofsen Spanier, wenn auch einige Meifter
fächer. zweiten Ranges fie zu ihrem Hauptfache gemacht haben. Nach wie vor find
Altarblätter und Bildniffe (vgl. oben S. 36) die Hauptgegenftände der fpanifchen
 
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