Die franzöfifche Malerei des 17. Jahrhunderts. Einleitung.
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Idyllik J. R. de Segrais’, (f 1624) und in Honore d’Urfes (f 1625) verwickeltem
Schäferroman (Astree) der bilderreiche, »pretiöfe« Manierismus, deffen Ausläufer
Moliere noch 1659 in feinen »Precieuses ridicules« an den Pranger Hellen
konnte. Inzwifchen bildete die geiftreiche Gefellfchaft, welche fich im Palais
der Marquife de Rambouillet verfammelte, die Vorfchule der »guten Gefchmacks«, jJ^boj'nest
welcher in der 1635 durch Richelieu gegifteten, der Sprache und ihrer An-
wendung in der Literatur gewidmeten Academie frangaise »geregelt und ge- Aca^emie
gründet«, aber auch einer formellen Dictatur unterworfen wurde. Es war die Fran«aise-
Zeit, in welcher Pierre Corneille (1606—1684) durch feine grofsartigen rheto- Corneille,
rifchen Schaufpiele und Tragödien die Augen ganz Frankreichs auf fich zog.
Sein Cid erfchien 1636; aber auch diefem Stücke hafteten (nach unterem heutigen
Gefühle keineswegs zu feinem Nachtheile) noch fo viele romantifche Elemente
an, dafs die neugegründete Academie frangaise nichts Eiligeres zu thun hatte,
als es, bei aller Anerkennung der Begabung des Dichters, einer abfälligen, ja
vernichtenden öffentlichen Kritik zu unterziehen. Corneille fügte fich und hielt
fich in der langen Reihe feiner fpäteren Dramen an die Gefetze der Academie.
Dann folgte Jean Racine (1639—1699), der grofse Tragödiendichter, der die Racine,
meiften echten Empfindungsconflicte mit der akademifchen Regelrichtigkeit
zu verbinden wufste, folgte der Luftfpieldichter Moliere (1622—1683), folgte Moliere.
Lafontaine (1621 —1695), der anmuthige Erzähler in Verfen, zwei Meifter, Lafontaine,
welche fich ihre echt gallifche Naivetät in dem allgemeinen Schab Ion enthum
zu bewahren mufsten, folgte Nie. Boileau (1636—17 t 1), der den conventionellen Boiieau.
literarifchen Gefchmack des Zeitalters Ludwigs XIV. in zierlichen aber trockenen
Verfen befang und durch fein kritifches Lehrgedicht »Art poetique« einen
folchen Einflufs gewann, dafs man ihn geradezu den Gefetzgeber des Ge-
fchmackes nannte.
In ähnlichen Linien entwickelten fich auch die franzöfifche Plaftik und T\e fr.anz-
Malerei des
Malerei des fiebzehnten Jahrhunderts, befonders die letztere, welche uns mit fiebzehnten
Einfchlufs der Teppichwirkerei und des Kupferftichs, der in diefem Jahrhundert derts.
in Frankreich feine höchfte technifche Ausbildung erhielt, jetzt allein noch zu
befchäftigen hat. Auch auf diefem Gebiete fehen wir in der erften Hälfte des *hre,ver-
ö # icmedenen
Jahrhunderts neben dem ftrengen Clafficismus, der glänzend durch N. Poussin Richtungen,
vertreten wird, einerfeits volksthümliche Meifter, wie J. Callot und die Le Nain,
and er erfeits Nachahmer der Italiener, wie Valentin und Simon Vouet, fich erheben;
auch auf diefem Gebiete fehen wir im mittleren Drittel des Jahrhunderts, 1648,
eine königliche Academie de Peinture (et Sculpture) entliehen, welche freilich Die
harte Kämpfe mit den zünftigen Meiftern, die alle »Maler« zu den ihren zählen de Peinture.
wollten, zu beftehen hatte, ja, von 1651—-1654 fogar den Verfuch einer Ver- „ Deren
z a r i 1 Gefchichte.
einigung mit der »Communaute des Maitres« über fich ergehen laffen mufste l)>
dann aber, fich felbft zurückgegeben, in ftrengere Bahnen einlenkte und befonders
feit ihrer Reorganifation von 1663 ihren nivellirenden Einflufs nach allen Seiten hin
ausbreitete; — auch auf diefem Gebiete endlich fehen wir in der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts eine Reihe äufserft correcter, gelehrter, »akademifch gebildeter«
Meifter blühen, von denen manche jedoch noch Subjectivität genug bewahren, um
1) Montaiglon, Memoires a. a. O., I p. 102—195.
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Idyllik J. R. de Segrais’, (f 1624) und in Honore d’Urfes (f 1625) verwickeltem
Schäferroman (Astree) der bilderreiche, »pretiöfe« Manierismus, deffen Ausläufer
Moliere noch 1659 in feinen »Precieuses ridicules« an den Pranger Hellen
konnte. Inzwifchen bildete die geiftreiche Gefellfchaft, welche fich im Palais
der Marquife de Rambouillet verfammelte, die Vorfchule der »guten Gefchmacks«, jJ^boj'nest
welcher in der 1635 durch Richelieu gegifteten, der Sprache und ihrer An-
wendung in der Literatur gewidmeten Academie frangaise »geregelt und ge- Aca^emie
gründet«, aber auch einer formellen Dictatur unterworfen wurde. Es war die Fran«aise-
Zeit, in welcher Pierre Corneille (1606—1684) durch feine grofsartigen rheto- Corneille,
rifchen Schaufpiele und Tragödien die Augen ganz Frankreichs auf fich zog.
Sein Cid erfchien 1636; aber auch diefem Stücke hafteten (nach unterem heutigen
Gefühle keineswegs zu feinem Nachtheile) noch fo viele romantifche Elemente
an, dafs die neugegründete Academie frangaise nichts Eiligeres zu thun hatte,
als es, bei aller Anerkennung der Begabung des Dichters, einer abfälligen, ja
vernichtenden öffentlichen Kritik zu unterziehen. Corneille fügte fich und hielt
fich in der langen Reihe feiner fpäteren Dramen an die Gefetze der Academie.
Dann folgte Jean Racine (1639—1699), der grofse Tragödiendichter, der die Racine,
meiften echten Empfindungsconflicte mit der akademifchen Regelrichtigkeit
zu verbinden wufste, folgte der Luftfpieldichter Moliere (1622—1683), folgte Moliere.
Lafontaine (1621 —1695), der anmuthige Erzähler in Verfen, zwei Meifter, Lafontaine,
welche fich ihre echt gallifche Naivetät in dem allgemeinen Schab Ion enthum
zu bewahren mufsten, folgte Nie. Boileau (1636—17 t 1), der den conventionellen Boiieau.
literarifchen Gefchmack des Zeitalters Ludwigs XIV. in zierlichen aber trockenen
Verfen befang und durch fein kritifches Lehrgedicht »Art poetique« einen
folchen Einflufs gewann, dafs man ihn geradezu den Gefetzgeber des Ge-
fchmackes nannte.
In ähnlichen Linien entwickelten fich auch die franzöfifche Plaftik und T\e fr.anz-
Malerei des
Malerei des fiebzehnten Jahrhunderts, befonders die letztere, welche uns mit fiebzehnten
Einfchlufs der Teppichwirkerei und des Kupferftichs, der in diefem Jahrhundert derts.
in Frankreich feine höchfte technifche Ausbildung erhielt, jetzt allein noch zu
befchäftigen hat. Auch auf diefem Gebiete fehen wir in der erften Hälfte des *hre,ver-
ö # icmedenen
Jahrhunderts neben dem ftrengen Clafficismus, der glänzend durch N. Poussin Richtungen,
vertreten wird, einerfeits volksthümliche Meifter, wie J. Callot und die Le Nain,
and er erfeits Nachahmer der Italiener, wie Valentin und Simon Vouet, fich erheben;
auch auf diefem Gebiete fehen wir im mittleren Drittel des Jahrhunderts, 1648,
eine königliche Academie de Peinture (et Sculpture) entliehen, welche freilich Die
harte Kämpfe mit den zünftigen Meiftern, die alle »Maler« zu den ihren zählen de Peinture.
wollten, zu beftehen hatte, ja, von 1651—-1654 fogar den Verfuch einer Ver- „ Deren
z a r i 1 Gefchichte.
einigung mit der »Communaute des Maitres« über fich ergehen laffen mufste l)>
dann aber, fich felbft zurückgegeben, in ftrengere Bahnen einlenkte und befonders
feit ihrer Reorganifation von 1663 ihren nivellirenden Einflufs nach allen Seiten hin
ausbreitete; — auch auf diefem Gebiete endlich fehen wir in der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts eine Reihe äufserft correcter, gelehrter, »akademifch gebildeter«
Meifter blühen, von denen manche jedoch noch Subjectivität genug bewahren, um
1) Montaiglon, Memoires a. a. O., I p. 102—195.