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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0358
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346

Sechstes Buch. Dritter Abfchnitt.

Sein Zufammenleben mit Sandrart in Rom fällt in die Jahre 1630—1635.
Der deutfche Künftler berichtet, dafs Claude in diefer Zeit Landfchaftsfresken
in römifchen Paläften ausgeführt habe. Es ift nicht unmöglich, dafs diejenigen
im Palazzo Muti, die befonders erwähnt werden, in verftümmeltem Zuftande
noch erhalten find.1) Aus Sandrarts Erzählung fcheint hervorzugehen, dafs
Claude damals noch mehr nur decorative Arbeiten im Sinne Taffi’s und ähnlicher
Der Einflufs Meifter ausführte. Erft durch Sandrart wurde er darauf aufmerkfam gemacht,
Joachim 0
Sandrarts. dafs man die Landfchaft nach der Natur ftudiren muffe; und erft in Folge feiner
Naturftudien entwickelte Claude fich zu einem wirklichen Künftler. In der
Begleitung Sandrarts malte er jetzt in Tivoli oder an anderen Orten der
römifchen Gebirge und der Campagna. Auch der Tiberftrand zog ihn an.
Er dehnte feine Wanderungen von Rom ftromabwärts aus, erreichte das Meer
bei Oftia und durchwanderte zeichnend, malend und fehend die Küften von
Civitavecchia bis Porto d’Anzio. Dabei fiel es fchon dem deutfchen Bericht-
erftatter auf, dafs der Blick feines Freundes mit befonderer Vorliebe in die
fonnige Ferne fchweifte. und dafs fein Pinfel vorzugsweife die Luft- und Licht-
Perfpektive über offenen Gegenden feftzuhalten fuchte. Auch im Figurenzeichnen
nach der Antike und nach dem lebendigen Modell übte Claude fich unabläffig;
aber feine Begabung lag nicht in diefer Richtung; die Figuren blieben ftets
feine fchwache Seite. Er liefs die Menfchen und Thiere feiner Gemälde daher,
als er berühmt geworden war, in der Regel auch von fremder Hand ausführen,
doch auch nur aus führ en; denn die Umriffe ihrer Gruppen, die fich harmonifch
den Linien feiner Landfchaften anfchmiegen und einfügen, erfand er zugleich
Seine Mit- mit feinen Compofitionen. Die Meifter, die auf diefem Gebiete für ihn zu
Staffirung arbeiten pflegten, waren, um es gleich hier zu fagen, befonders Filippo Lauri
femerBiider. 232), Guillaume (nach anderen auch Jacques, was ich bezweifle),
Courtois (oben, S. 318) und der Niederländer Jan Miel. Um fo beffer gelangen
ihm die landschaftlichen Studien nach der Natur. Seine erhaltenen Hand-
zeichnungen in allen möglichen Techniken, von der einfachen Feder- oder
Bleiftiftzeichnung durch leicht getufchte Blätter in allen Tinten hindurch bis
zu grofsen, mit dem Pinfel ausgeführten Darftellungen, laffen feinen Fleifs,
feinen Geift und feine künftlerifche Wahrheitsliebe bei der Auffaffung der
Natur im beften Lichte erfcheinen. Näher auf fle einzugehen, ift in diefem
Zufammenhange nicht möglich; es fei nur bemerkt, dafs in den verfchiedenen
Seme Hand-gammpincren Europas über 500 Handzeichnungen Claudes erhalten find, von
denen die meiften fich als Naturftudien zu erkennen geben. Das British Mufeum
befitzt über die Hälfte ihrer aller; und die englifchen Privatfammlungen, ein-
fchliefslich Windfor Caftle’s, folgen zufammen genommen gleich aufs British
Mufeum. In Frankreich kommt namentlich die Louvrefammlung mit über
20, in Deutfchland und Oefterreich die Albertina in Wien mit über 40, in
Italien die Uffizienfammlung mit mehr denn einem Dutzend Blättern Claudes
in Betracht.
Das Liber Eine Handzeichnungen-Sammlung eigener Art hat der Meifter endlich in
feinem vielgenannten »Liber Veritatis« hinterlaffen, deffen Original fich jetzt auf

1) Pattijon, a. a. O. p. 32—34.
 
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