Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0365
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die franzöfifche Malerei des 17. Jahrhunderts. D. Claude Lorrain und feine Schüler. 353
des Campo Vaccino, ja fogar das Coloffeum in feiner ganzen Maffigkeit, wie
in feinen Küftenbildern, fo auch in feinen Darftellungen vom feften Lande recht
willkürlich in feinen Thälern, in feinen Höhen, unter feinen Bäumen und neben
feinen Wafferfpiegeln zu vertheilen. Befonders liebt er es, die linke oder die
rechte Seite des Vordergrundes von mächtigen römifchen Säulenhallen beherrfchen
zu laffen, die oft allerdings theatralifch und unmotivirt genug daftehen. Eine
Befonderheit feiner Mittel- und Hintergründe aber find auch die Bogenbrücken,
mit denen er feine Flüffe überfpannt. Sie tragen wefentlich dazu bei, feinen
Gemälden feine Linien und feinen Landfchaften das Anfehen hochcultivirter
Gefilde zu geben.
Gemeinfam endlich ift allen Landfchaften Claudes, feinen Seeftücken, wie Se^aele^ht'
feinen Landbildern, die nur ihm eigene, im Norden in anderer Weife nur von
A. Cuyp in gleichem Mafse erreichte Lichtmalerei. Hier ift Claude in feinem
eigenften Elemente. Ihm ift das Sonnenlicht, welches die Landfchaft vom
fernften Horizonte bis zur nächften Nähe erfüllt, ein darftellbarer, faft körper-
hafter Gegenftand, wie jeder andere auch. Sogar den Sonnenball felbft hat er
auf einem Dutzend feiner Bilder kühn mit dargeftellt, ein Wagnifs, welches
manchmal freilich auch unter feinen Händen mifslang. Vor allen Dingen aber
hat er einerfeits die verfchiedenen Tageszeiten, den kühlen Morgen, den heifs-
duftigen Mittag, den rothglühenden Abend vortrefflich zu charakterifiren ver-
banden und andererfeits die perfpektivifchen Wirkungen der Sonnenftrahlen in
den verfchiedenen Gründen feiner Bilder, fowie ihr Spiel im Baumlaub, ihren
vielfach gebrochenen Widerfchein in der leichtgewellten Meerflut und ihre
Veränderung durch leichte Wolken oder durch weichen Nebel in meifterhafter
Weife wiederneneben. Das Auffallendfte dabei ift, dafs fchwere Wolkenmaffen, Seltenheit
0 o . trüber
Gewitterftimmungen und Sturmerfcheinungen ihn nur ausnahmsweife zu feffeln Stimmungen,
vermochten. Unter den Entwürfen feines Liber Veritatis befinden fleh aller-
dings drei Seefturmfkizzen, von denen er die eine (L. V. 33; Rob.-Dum. 7)
radirt hat, die anderen beiden (L. V. 72 und 74) aber überhaupt nicht aus-
geführt zu haben fcheint. Aufserdem giebt es noch eine Radirung Claude’s
(R.-D. 5), welche einen Sturm darftellt; und ein Gemälde (L. V. 108; zu Smiths
Zeiten bei Sir Thom. Frankland in England) auf cleffen linker Seite es trotz
der vorn dargeftellten heiteren Liebesgefchichte aus einer fliegenden Wolke
einige Streifen regnet. Im Uebrigen hat Claude ftets einen hellen, ganz
leichtbewölkten oder von weichen Nebeln umzogenen Himmel und unter ihm
die paradiefifchefte Ruhe der Atmofphäre dargeftellt. Die meiften feiner Land-
fchaften zeigen alfo fowohl ihrer Compofition als ihrer Licht Wirkung nach felige
Wundergefilde, wie fie auf der Erde zwar vorkommen könnten, in Wirklichkeit
aber nicht vorkommen, Gefilde, welche wir uns als den Aufenthalt glücklicher,
forglofer Halbgöttergefchlechter denken; und dem entfpricht denn auch ihre
Staffage, die, wie fich fchon aus den namhaft gemachten Bildern erniebt, Die Staffage
0 0 t> ' der Bilder
manchmal dem Alten oder dem Neuen Teftament, manchmal der Dichtkunft Claude’s.
und Sagenwelt der alten Griechen und Römer, gar nicht feiten auch der Vor-
ftellung einer idyllifch-glücklichen Hirtenwelt entlehnt ift, faft immer aber
heitere, oft feftliche Handlungen darftellt.
Wir können auf diefe Staffage der Gemälde Claude’s hier um fo weniger

Gefchichte d. Malerei. III.

23
 
Annotationen