Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0399
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die vlämifche Malerei des 17. Jahrhunderts. A. Uebergangsmeifter.

387

feinem Bruder nach der ewigen Stadt und entwickelte fich hier unter deffen Seine Ueber-
fiedelung
Leitung an den Arbeiten des Vatikans zu einem tüchtigen Landfehafter. Nach nach Rom.
dem Tode feines Bruders fetzte er die von diefem begonnenen Landfchafts- SeiIT d°rtl"
freskencyklen im vatikanischen Palafte fort, erhielt dann rafch einen Auftrag im Vatikan>
nach dem anderen, nahm den lebhafteften Antheil an der weiteren Ausbildung
der decorativen Landfchaftsmalerei in Rom und rang fich fchliefslich unter dem
Einfluffe des freieren, breiteren Stils Ann. Carracci’s zu jener gröfseren Klarheit
und Ruhe hindurch, die ihn fchliefslich zum nächften Vorgänger Claude Lor-
rains (oben S. 344ff.) machten. Von feinen römifchen Fresken kommen, aufser
denen des Vatikans, noch die Cyklen des Laterans, verfchiedener Kirchen und im Lateran,
mancher Privatpaläfte in Betracht. Wir wollen uns nur diejenigen der Kirchen
S. Cecilia und S. Maria Maggiore, fowie des jetzigen Palaftes Rofpigliofi etwas in S. Cecilia,
näher betrachten. In S. Cecilia hat der Meifter den gewölbten Gang, welcher
von der Sakriftei zu der über den antiken Bädern errichteten Kapelle der
Heiligen führt, mit dreizehn grofsen Landfchaftsfresken gefchmückt, welche
fämmtlich Scenen aus dem Leben frommer Einfiedler darftellen. Die Namen
derfelben flehen auf den barock eingefafsten Schildern neben jedem der Bilder,
welche theils in Wand-, theils in Bogen-, theils in Deckenfeldern angebracht
find. Sie Hellen reiche, etwas überfüllte Gebirgsgegenden dar, wie fie die
Phantafie des Meifters beim Alpenübergange gefangen genommen hatten:
fchroffe Felfen, raufchende Gebirgsbäche, herrliche Wälder, üppige Einzel-
bäume und tiefe, reich bebaute und bewohnte Thäler. Diefe Motive find
nicht mehr willkürlich - phantaftifch, Sondern malerifch - phantafievoll aneinander-
gefügt, aber doch etwas näher aneinandergedrängt, als man es in der Natur
fieht. Der Meifter hat offenbar den einzelnen Bildern keine Naturftudien zu

Grunde gelegt, wohl aber die Eindrücke, die er in der Natur felbft empfangen
hatte, geschickt verwerthet. Im Uebrigen flehen fie auf dem Boden des bereits
gefchilderten Landfchaftsftils. Die Bäume des Vordergrundes find ungewöhnlich
kräftig detaillirt; befondere atmofphärifche Wirkungen find noch ganz ver-
mieden ; der Himmel ift in der Regel grau; die Luftperfpektive ift Schwach. —■
Im Ganzen freier erfcheinen die fechs Gebirgslandfchaften in der Sakriftei der

Kirche S. Maria Maggiore. Auch fie find noch etwas vollgepfropft mit Einzel-
motiven, aber ihr Linienflufs ift gröfser, freier, heiterer; die Terraingeftaltung
ift individueller und natürlicher; die Gefammtwirkung doch fchon wegen der
rothen Himmelstöne vorzugsweife decorativ. Noch freier und Schwungvoller
find die »Vier Jahreszeiten« an zwei gegenüberliegenden Wänden des Saales
des Palazzo Rofpigliofi dargeftellt, in dem fich Guido’s berühmte »Aurora« als
Deckengemälde (oben S. 138) befindet. Die Motive find hier lebendig der
Natur abgelaufcht; klar und hell ift das Herbftbild mit der Weinlefe gehalten;
feft in der Anordnung und im Ton ift die leicht befchneite Berglandfchaft des
Winterbildes. Das Frühlingsbild mit der Villa und dem Terraffengarten bringt
das duftige, luftige Leben der erwachenden Natur fchon recht hübfeh zur An-
fchauung, und der Sommer mit feinen goldenen Aehrenfeldern, feinen raftenden
Schnittern am baumbewachfenen Abhange wird in dem vierten Bilde deutlich
und liebenswürdig gefchildert.
Paul Bril hat in Rom aber nicht nur diefe grofsen decorativen Fresken-

in S. Maria
Maggiore,

im Palazzo
Rofpigliofi.
 
Annotationen