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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0426
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4H

Sechstes Buch. II. Abtheilung. Erfter Abfchnitt.

fie für das Bild zahlten; ja, in einigen Zeiten feines Lebens war er durch
andere Verpflichtungen fo in Anfpruch genommen, dafs er fleh begnügte, feine
Schüler nach feinen Skizzen die beftellten Bilder beginnen und vollenden zu
laffen; und für gewiffe Beftellungen, die ihm weniger zufagten, fowie für Wieder-
holungen fcheute er fich von Anfang an nicht, fich diefer mehr fabrikmäfsigen
Herftellungsweife zu bedienen. Gleichwohl gingen diefe Bilder als Werke des
Rubens, bei ihm beftellt, durch ihn abgeliefert, aus feiner Werkflatt hervor.
Skeit1der" Wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn folche immerhin beglaubigter
Ausfonde- Mafsen »echten« Bilder unter fich von dem verfchiedenften Werthe find und
rung feiner
eigenhändi- oft auch nicht die geringfte Vorftellung von des Meifters eigenem Können geben.
Auch Rubens felbft durfte fich kaum beklagen, wenn feine Kunft verkannt
wurde. Die Pflicht der Wiffenfchaft aber ift es doch, die eigenhändigen Bilder
vom Werkftattsgut und von den Schulwiederholungen zu fondern. Eine leichte
Aufgabe ift das natürlich nicht; aber des Meifters wirklich eigenhändige oder
doch ganz eigenhändig übergangene Werke flehen fo hoch über den anderen,
dafs fich die Kenner in den meiften Fällen bereits über fie geeinigt haben.
In manchen Fällen fchliefst der Name der urkundlich beglaubigten Befteller,
in einigen fogar des Meifters eigenes fchriftliches Zeugnifs auch von vornherein
die Theilnahme von Schülerhänden aus.

Befchrän-
kung unterer
Auswahl.

Von der gewaltigen Anzahl der Rubens’fchen Bilder können im Folgenden
natürlich nur verhältnifsmäfsig wenige befprochen werden; und felbflverftändlich
werden hierfür nur folche gewählt werden, die entweder ganz eigenhändig
ausgeführt oder doch fo charakteriftifch für ihn find, dafs eine Betheiligung von
Schülerhänden, befonders in der Untermalung, in der Landfchaft oder in den
Thieren ihre Bedeutung nicht wefentlich zu beeinträchtigen vermag. Es würde
zu weit führen, im Rahmen diefes Buches die Grenzen diefer Schülerbetheiligung
in jedem Falle feft zu ftellen.

Rubens als Verflachen wir alfo, uns den künftlerifchen Entwicklungsgang des Meifters
allgemeinen, durch feine Gemälde im Anfchlufs an feine Lebensgefchichte zu vergegen-
wärtigen, fo müffen wir uns im Voraus noch daran erinnern, dafs Rubens
nicht nur auf dem Gebiete der eigentlichen Malerei, fondern auch in ver-
wandten Kunftfächern bedeutendes geleiftet hat, dafs er ferner nicht nur ein
Gelehrter grolser Künftler, fondern auch ein Gelehrter von umfaffendem Wiffenl) war,
und dafs die Weltgefchichte, wenn fie auch nichts von den künftlerifchen Grofs-
thaten des Peter Paul Rubens wüfste, fich doch immer noch mit ihm in feiner
alsmSatnn.tS' Eigenfchaft als Staatsmann und Diplomaten befchäftigen würde. Viel- und
allfeitige grofse Künftler hatte es fchon vor Rubens gegeben; aber er ift wohl
der erfte und ift der einzige grofse Künftler geblieben, der zugleich im eigent-
lichen Staatsdienft als Diplomat eine Rolle gefpielt hat. Doch kann die Ge-
fchichte der Malerei auf diefe Seiten feiner Thätigkeit natürlich nicht näher
eingehen.
Herkunft Rubens entflammte einer angefehenen und vermögenden Antwerpener
Familie. Seine Eltern hatten in den fiebziger und achtziger Jahren des 16. Jahr-

1) Ueber Rubens als Alterthumsforfcher vgl. Friedr. Freiherr Goeler von Ravensburg : Rubens
und die Antike, Jena 1882. S. 17—35.
 
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