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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,2) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48522#0023
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Die holländifche Malerei des 17. Jahrhunderts. j
von der Darheilung des Heilands felbft zurückhielt, die fchlichten Gefchichten
des alten Tehamentes. Nur Rembrandt, der gröfste holländifche Künftler, Rembrandt,
machte, ein fo echter Holländer er war, auch hierin eine Ausnahme. Er war
der einzige weltumfaffende Geift unter den holländifchen Künftlern; und er
hat, mehr noch durch feine Radirungen, als durch feine Oelgemälde aus
dem neuen Teflamente, auch der protehantifchen religiöfen Empfindung ihren
eigenen, neuen, ergreifenden Ausdruck verliehen. Fürs Oelbild bevorzugten
auch er und feine Schüler die altteftamentanfchen Darftellungen; und in Dar-
ftellungen diefer Art fuchten fie ihrem angeborenen Realismus auch dadurch zu
genügen, dafs fie die Gehalten in phantaflifch-orientalifche Trachten, die fie für
echt hielten, hüllten. Andere Hihorienhoffe, als die biblifchen, find bei den guten
holländifchen Malern der nationalen Schule von ziemlicher Seltenheit, wenn-
gleich z. B. Rembrandt, der einzige, gelegentlich auch einen mythologifchen
Gegenftand geiftvoll und eigenartig zu behandeln wufste. Im Allgemeinen
überliefsen fie die mythologifchen und allegorifchen Stoffe der mehr oder wenig
»akademifch« angekränkelten Minderheit ihrer Genoffen.
Dagegen mufs fofort hervorgehoben werden, dafs die Bildnifsmalerei fich holhJ^tfche
in der nationalholländifchen Schule gar nicht feiten zum Range der grofsen Bildnif®’
ö 00 malerei.
fogenannten »Hihorienmalereu und, was noch mehr fagen will, gerade für die
Nachwelt zur Bedeutung einer wirklichen Gefchichtsmalerei erhob. Das Bildnifs
ift das A und das O der Figurenmalerei diefer Schule; und gleich hier fehen
wir wieder, dafs die Holländer als echte Realihen gerade dort das Bedeutendfle
lieferten, wo fie an thatfächliche Bedürfniffe ihrer Landsleute anknüpfen konnten.
Sich und die Seinen malen zu laffen, war jedem Angehörigen diefes kräftigen,
felbflbewufsten Gefchlechts, in dem Jeder ein ganzer Mann war und als folcher
felbft in weltgefchichtlichen Verwicklungen zur Geltung kommen konnte, in
der That ein Bedürfnifs. Was galt ihm der Heiligenhimmel der chriftlichen
Legende oder gar der altgriechifche Olymp ? was war ihm Hekuba ? Er felbft
war feine Welt; fich felbft wollte er dargeftellt fehen. Eine Hauptaufgabe der
gröfsten holländifchen Figurenmaler des 17. Jahrhunderts blieb es daher, Bild-
niffe zu malen: am häufigften Einzelbildniffe und ihre Gegenftücke aus derfelben
Familie, oft genug aber auch Gruppenbildniffe; und folche Gruppenbildniffe ®ndn?ffe?
haben fich in keiner anderen Schule zu fo hoher künftlerifcher Bedeutung er-
hoben, wie in der holländifchen. Dafs fchon manche Familiengruppenbilder ^iTppen-
künftlerifch reizvolle Darftellungen waren, verlieht fich von felbft. Eine Be- bilder-
fonderheit aber waren in Holland die Gruppenbilder von Behörden, Gilden- Schuün^en'
vorftänden, Vereinsleitern. Befonders die Verwalter der milden Stiftungen, Regenten-
ftiicke.
welche zahlreich dem freien holländifchen Boden entfproffen, fühlten das Be-
dürfnifs, da fie umfonft arbeiteten, fich wenigftens nicht um den Nachruhm zu
bringen und fich mit ihren jeweiligen Collegen zu ftattlichen Gruppen vereinigt
von Künftlerhand verewigen zu laffen. Unter den Gilden gaben zunächft die
reichen Chirurgengilden, deren Vorhände fich bei anatomifchen Studien vereinigt
darhellen zu laffen liebten1), ein Beifpiel in diefer Richtung; in noch höherem

1) Vgl. Carl Vosmaer, Niederländifche Anatomiegemälde, in der Lützow’fchen Zeitfchrift VIII
(1873), s. 13 fr.
 
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