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Sechstes Buch. II. Abtheilung. Zweiter Abfchnitt.
Ihre Art. kurz charakterifirt worden. Sie Rehen in ihrer wunderbaren Verfchmelzung
von packender Naturwahrheit der mit breitem, vollem Pinfel ungemein kräftig
und malerifch durchgeführten Zeichnung mit einem durchaus nicht der Wirk-
lichkeit abgefehenen, fondern den tiefften Tiefen des Empfindungslebens ent-
fprungenen, dunkelglühenden Farbenton, gegen den das leichte Grüngrau oder
Gelbgrau van Goyens und Sal. van Ruysdaels ganz naturaliflifch erfcheint,
Seine Land-einzig unter allen Landfchaftsgemälden der Welt da. Die tiefbraune, doch
cBraun-in durch grelles Streiflicht belebte, im Einzelnen in feinem Schmelze durch-
fchweig, Gewitterlandfchaft des Braunfchweiger Mufeums ift Bode *) geneigt
fchon dem Jahre 1640 zuzuweifen. Die Jahreszahl 1646 trägt eine fchlichte,
in Caffei. aber feine und leuchtende kleine Winterlandfchaft der Caffeler Galerie. Der
Mitte der vierziger Jahre müffen auch die Perlen der Rembrandt’fchen Land-
oiinburg fchaftsmalerei angehören, wie die »Flufsmündung« im Mufeum zu Oldenburg,
zu Bowood, »der Kanal«, beim Marquis of Lansdowne zu Bowood, die mächtig packende
zu London »Gewitterlandfchaft« bei Sir Richard Wallace in London. Aus dem Ende der
(Wallace),
vierziger Jahre aber flammen wohl die beiden fchönften von allen: »die Land-
in Caffei, fchaft mit dem Bergfchloffe« in der Caffeler Galerie und die elegifch geflimmte
zu Bowood. »Landfchaft mit der Windmühle« beim Marquis of Lansdowne zu Bowood.
In Werken diefer Art nimmt Rembrandt als Stimmungslandfchafter den erften
Platz unter allen Landfehaftern der Erde ein. So viel Naturwahrheit mit fo
Rembrandt’s
Radirungen
von
1642—1656.
viel leidenfchaftlich glühender Poefie verbunden, wie fie, zeigen überhaupt nur
ganz wenig Kunft werke der Erde.
Aus dem Gebiete der Radirung gehören dem grofsen Zeitraum von 1642
bis 1656 faft alle berühmteflen Blätter des Meifters an Von feinen Selbft-
bildniffen ift dasjenige von 1648 (Bl. 235), welches den Meifter zeichnend am
Fenfter zeigt, befonders intereffant. Hochberühmt aber find die Blätter des
Jahres 1647: das unvergleichliche Bildnifs des lefend in feinem Arbeitszimmer
flehenden Jan Six (Bl. 184); das ungemein farbig wirkende Knieftück des
Doctors van der Linden (Bl. 181); das aufserordentlich lebendige Porträt des
Malers Jan Affelyn (Bl. 170); das wunderbar malerifch aufgefafste, unter der Be-
zeichnung des »Juden auf der Treppe« berühmte Blatt (Bl. 172), welches den
Ephraim Bonus darflellt. Ungefähr dem Jahr 1655 gehört das Bildnifs des
Kunfthändlers Abr. Francen (Bl. 176) an, dem Jahr 1656 der fehr gefuchte
»Goldfchmied Lutma«, im Stuhle fitzend; ungefähr diefer Zeit auch der
»Dr. Tholinx«, der feiner Seltenheit wegen eins der theuerft bezahlten Blätter
des Meifters ift. Aus diefem Zeitraum flammen auch radirte Naturftudien, wie
»das Schwein« (Bl. 350) von 1643 und »die Mufchel« (Bl. 351) von 1650,
Blätter von einer zeichnerifchen Kraft und einem malerifchen Schmelz der
Aetzung, wie fie einzig daftehen.
Rembrandt’s
radirteLand-
fchaften.
Auch Rembrandt’s fchönfte landfchaftlichen Blätter gehören diefem Zeit-
raum an: dem Jahr 1643 die berühmten, eine tiefe Naturpoefie athmenden
»drei Bäume« (Bl. 315) mit dem Regenfchauer, dem Jahre 1645 »die Brücke«,
»Pont de Six« (Bl. 311) und das reizende Idyll »Omval« (Bl. 312), dem Jahre
1650 die köftlichen »drei Hütten«. — Um 1648 radirte Rembrandt feinen
1) Studien, S. 452.
Sechstes Buch. II. Abtheilung. Zweiter Abfchnitt.
Ihre Art. kurz charakterifirt worden. Sie Rehen in ihrer wunderbaren Verfchmelzung
von packender Naturwahrheit der mit breitem, vollem Pinfel ungemein kräftig
und malerifch durchgeführten Zeichnung mit einem durchaus nicht der Wirk-
lichkeit abgefehenen, fondern den tiefften Tiefen des Empfindungslebens ent-
fprungenen, dunkelglühenden Farbenton, gegen den das leichte Grüngrau oder
Gelbgrau van Goyens und Sal. van Ruysdaels ganz naturaliflifch erfcheint,
Seine Land-einzig unter allen Landfchaftsgemälden der Welt da. Die tiefbraune, doch
cBraun-in durch grelles Streiflicht belebte, im Einzelnen in feinem Schmelze durch-
fchweig, Gewitterlandfchaft des Braunfchweiger Mufeums ift Bode *) geneigt
fchon dem Jahre 1640 zuzuweifen. Die Jahreszahl 1646 trägt eine fchlichte,
in Caffei. aber feine und leuchtende kleine Winterlandfchaft der Caffeler Galerie. Der
Mitte der vierziger Jahre müffen auch die Perlen der Rembrandt’fchen Land-
oiinburg fchaftsmalerei angehören, wie die »Flufsmündung« im Mufeum zu Oldenburg,
zu Bowood, »der Kanal«, beim Marquis of Lansdowne zu Bowood, die mächtig packende
zu London »Gewitterlandfchaft« bei Sir Richard Wallace in London. Aus dem Ende der
(Wallace),
vierziger Jahre aber flammen wohl die beiden fchönften von allen: »die Land-
in Caffei, fchaft mit dem Bergfchloffe« in der Caffeler Galerie und die elegifch geflimmte
zu Bowood. »Landfchaft mit der Windmühle« beim Marquis of Lansdowne zu Bowood.
In Werken diefer Art nimmt Rembrandt als Stimmungslandfchafter den erften
Platz unter allen Landfehaftern der Erde ein. So viel Naturwahrheit mit fo
Rembrandt’s
Radirungen
von
1642—1656.
viel leidenfchaftlich glühender Poefie verbunden, wie fie, zeigen überhaupt nur
ganz wenig Kunft werke der Erde.
Aus dem Gebiete der Radirung gehören dem grofsen Zeitraum von 1642
bis 1656 faft alle berühmteflen Blätter des Meifters an Von feinen Selbft-
bildniffen ift dasjenige von 1648 (Bl. 235), welches den Meifter zeichnend am
Fenfter zeigt, befonders intereffant. Hochberühmt aber find die Blätter des
Jahres 1647: das unvergleichliche Bildnifs des lefend in feinem Arbeitszimmer
flehenden Jan Six (Bl. 184); das ungemein farbig wirkende Knieftück des
Doctors van der Linden (Bl. 181); das aufserordentlich lebendige Porträt des
Malers Jan Affelyn (Bl. 170); das wunderbar malerifch aufgefafste, unter der Be-
zeichnung des »Juden auf der Treppe« berühmte Blatt (Bl. 172), welches den
Ephraim Bonus darflellt. Ungefähr dem Jahr 1655 gehört das Bildnifs des
Kunfthändlers Abr. Francen (Bl. 176) an, dem Jahr 1656 der fehr gefuchte
»Goldfchmied Lutma«, im Stuhle fitzend; ungefähr diefer Zeit auch der
»Dr. Tholinx«, der feiner Seltenheit wegen eins der theuerft bezahlten Blätter
des Meifters ift. Aus diefem Zeitraum flammen auch radirte Naturftudien, wie
»das Schwein« (Bl. 350) von 1643 und »die Mufchel« (Bl. 351) von 1650,
Blätter von einer zeichnerifchen Kraft und einem malerifchen Schmelz der
Aetzung, wie fie einzig daftehen.
Rembrandt’s
radirteLand-
fchaften.
Auch Rembrandt’s fchönfte landfchaftlichen Blätter gehören diefem Zeit-
raum an: dem Jahr 1643 die berühmten, eine tiefe Naturpoefie athmenden
»drei Bäume« (Bl. 315) mit dem Regenfchauer, dem Jahre 1645 »die Brücke«,
»Pont de Six« (Bl. 311) und das reizende Idyll »Omval« (Bl. 312), dem Jahre
1650 die köftlichen »drei Hütten«. — Um 1648 radirte Rembrandt feinen
1) Studien, S. 452.