Die holländifche Malerei des 17. Jahrhunderts. C. Die Amfterdamer Schule.
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dem Namen »Venus und Amor« bekannte Bild des Louvre zu Paris, in dem im Louvre,
man, wenngleich der wirklich geflügelte Amor keinen Zweifel an der mytho-
logifchen Abficht des Künftlers läfst, neuerdings') Hendrickie Jaghers mit ihrer
und Rembrandt’s Tochter Cornelia erkennen möchte; fodann das unter dem
Namen der »Judenbraut« bekannte Bild der Sammlung van der Hoop des
Amfterdamer Reichsmufeums: die Darftellung eines ältlichen Mannes in gelber
phantaftifcher Kleidung, der in dunklem Gebüfch ein junges, reich gefchmücktes
Mädchen in kirfchrothem Kleide umfafst, ein Bild von erftaunlicher Farben-
leuchtkraft, erftaunlicher Breite der Auffaffung, erftaunlicher Körperhaftigkeit
des Farbenauftrags, kurz ein Bild, in dem fleh alle glänzenden Eigenfchaften
des letzten Stils Rembrandt’s grofsartig vereinigt zeigen; ferner das »Familien-
bildnifs« des Braunfchweiger Mufeums: Vater, Mutter und Kinder, die fleh in
prächtigen leuchtenden Farben vom tief braunen Bufchwerk des Hintergrundes
abheben, ein heiter und liebenswürdig gedachtes, mit unerhörter Kraft und
Breite durchgeführtes Meifterwerk, dem fleh kaum etwas Aehnliches an die Seite
fetzen läfst; endlich, vom Jahre 1661 datirt, wahrfcheinlich früher als die zuletzt
befprochenen Bilder, das letzte »Regentenftück« Rembrandt’s, die »Staalmeefters«,
d. h. die Vorfteher der Tuchhalle (Fig. 591). Zu Fünfen fitzen die fchwarz gekleideten
Männer, von denen nur einer im Begriff ift fleh zu erheben, mit ihren weichen,
breiten fchwarzen Hüten auf dem Kopfe berathend um einen mit rothem
Teppich bedeckten Tifch. Hinter ihnen fleht ein Diener. Das Bild gehört
zu den erftaunlichften Werken, welche je gefchaffen worden find. Rembrandt’s
»Anatomie des Dr. Tulp« erfcheint faft altmodifch ftreng und ängftlich gegen
diefe Wucht, diefe Breite, diefe Freiheit der Auffaffung und der Behandlung,
faft nüchtern gegen diefe Farbengluth, obgleich nur fchwarzgekleidete Herren
vor graubrauner Wand um einen rothen Tifch dargeftellt find. Seine »Nacht-
wache« aber erfcheint faft unruhig und gefucht gegen die meifterhafte, vor-
nehme Ruhe, die uns aus diefem Bilde anweht.
Die Hiftorienbilder aus diefer letzten Epoche Rembrandt’s flehen nicht
alle auf derfelben Höhe, wie die beften diefer Bildniffe und Bildnifsgruppen
Manche von ihnen finden fich in fchwer zugänglichen Privatfammlungen. Wir
können nur einige von ihnen nennen, die fich in öffentlichen Galerien oder leichter
zugänglichen Privatfammlungen befinden’ Vom Jahre 1661 befitzt der Louvre
in Paris einen »Matthäus mit dem Engel«, die Galerie im Schlöffe zu Afchaffen-
burg einen »Schmerzensmann« mit ausdrucksvollem Antlitz. In ihrem trüben
grauen Tone erinnern beide, wenngleich fie kräftiger gemalt find, noch an die
Bilder der trübften Jahre des Meifters. Leuchtender und tiefer in der Farbe
bei fchwärzlichem Schatten ift das aus etwa zwanzig Figuren beftehende Bild
beim Earl of Derby in London, welches darftellt, wie dem alten Jakob der
blutige Rock Jofephs gebracht wird. Diefes Bild wird um 1665 entftanden
fein; und derfelben Zeit gehört wahrfcheinlich auch das Prachtbild bei Sir
Richard Wallace in London an, welches das Gleichnifs von dem ungerechten
Gläubiger darftellt, dem der Herrfcher feine Härte gegen feine Schuldner
vorwirft. Es ift ein ernftes, grofses Bild von fatter F'arbengluth. Vom Jahre
in
Amfterdam
(die »Juden-
braut«),
in Braun-
fchweig.
Die »Staal-
meefters« im
Amfter-
damer
Reichs-
mufeum.
Hiftorien-
bilder der
letzten Zeit
Rembrandt’s
im Louvre,
im Schlofs zu
Afchaffen-
burg.
beim Earl of
Derby in
London,
bei
Sir Richard
Wallace
in London,
l) Bode, Studien S. 550.
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dem Namen »Venus und Amor« bekannte Bild des Louvre zu Paris, in dem im Louvre,
man, wenngleich der wirklich geflügelte Amor keinen Zweifel an der mytho-
logifchen Abficht des Künftlers läfst, neuerdings') Hendrickie Jaghers mit ihrer
und Rembrandt’s Tochter Cornelia erkennen möchte; fodann das unter dem
Namen der »Judenbraut« bekannte Bild der Sammlung van der Hoop des
Amfterdamer Reichsmufeums: die Darftellung eines ältlichen Mannes in gelber
phantaftifcher Kleidung, der in dunklem Gebüfch ein junges, reich gefchmücktes
Mädchen in kirfchrothem Kleide umfafst, ein Bild von erftaunlicher Farben-
leuchtkraft, erftaunlicher Breite der Auffaffung, erftaunlicher Körperhaftigkeit
des Farbenauftrags, kurz ein Bild, in dem fleh alle glänzenden Eigenfchaften
des letzten Stils Rembrandt’s grofsartig vereinigt zeigen; ferner das »Familien-
bildnifs« des Braunfchweiger Mufeums: Vater, Mutter und Kinder, die fleh in
prächtigen leuchtenden Farben vom tief braunen Bufchwerk des Hintergrundes
abheben, ein heiter und liebenswürdig gedachtes, mit unerhörter Kraft und
Breite durchgeführtes Meifterwerk, dem fleh kaum etwas Aehnliches an die Seite
fetzen läfst; endlich, vom Jahre 1661 datirt, wahrfcheinlich früher als die zuletzt
befprochenen Bilder, das letzte »Regentenftück« Rembrandt’s, die »Staalmeefters«,
d. h. die Vorfteher der Tuchhalle (Fig. 591). Zu Fünfen fitzen die fchwarz gekleideten
Männer, von denen nur einer im Begriff ift fleh zu erheben, mit ihren weichen,
breiten fchwarzen Hüten auf dem Kopfe berathend um einen mit rothem
Teppich bedeckten Tifch. Hinter ihnen fleht ein Diener. Das Bild gehört
zu den erftaunlichften Werken, welche je gefchaffen worden find. Rembrandt’s
»Anatomie des Dr. Tulp« erfcheint faft altmodifch ftreng und ängftlich gegen
diefe Wucht, diefe Breite, diefe Freiheit der Auffaffung und der Behandlung,
faft nüchtern gegen diefe Farbengluth, obgleich nur fchwarzgekleidete Herren
vor graubrauner Wand um einen rothen Tifch dargeftellt find. Seine »Nacht-
wache« aber erfcheint faft unruhig und gefucht gegen die meifterhafte, vor-
nehme Ruhe, die uns aus diefem Bilde anweht.
Die Hiftorienbilder aus diefer letzten Epoche Rembrandt’s flehen nicht
alle auf derfelben Höhe, wie die beften diefer Bildniffe und Bildnifsgruppen
Manche von ihnen finden fich in fchwer zugänglichen Privatfammlungen. Wir
können nur einige von ihnen nennen, die fich in öffentlichen Galerien oder leichter
zugänglichen Privatfammlungen befinden’ Vom Jahre 1661 befitzt der Louvre
in Paris einen »Matthäus mit dem Engel«, die Galerie im Schlöffe zu Afchaffen-
burg einen »Schmerzensmann« mit ausdrucksvollem Antlitz. In ihrem trüben
grauen Tone erinnern beide, wenngleich fie kräftiger gemalt find, noch an die
Bilder der trübften Jahre des Meifters. Leuchtender und tiefer in der Farbe
bei fchwärzlichem Schatten ift das aus etwa zwanzig Figuren beftehende Bild
beim Earl of Derby in London, welches darftellt, wie dem alten Jakob der
blutige Rock Jofephs gebracht wird. Diefes Bild wird um 1665 entftanden
fein; und derfelben Zeit gehört wahrfcheinlich auch das Prachtbild bei Sir
Richard Wallace in London an, welches das Gleichnifs von dem ungerechten
Gläubiger darftellt, dem der Herrfcher feine Härte gegen feine Schuldner
vorwirft. Es ift ein ernftes, grofses Bild von fatter F'arbengluth. Vom Jahre
in
Amfterdam
(die »Juden-
braut«),
in Braun-
fchweig.
Die »Staal-
meefters« im
Amfter-
damer
Reichs-
mufeum.
Hiftorien-
bilder der
letzten Zeit
Rembrandt’s
im Louvre,
im Schlofs zu
Afchaffen-
burg.
beim Earl of
Derby in
London,
bei
Sir Richard
Wallace
in London,
l) Bode, Studien S. 550.