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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,2) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48522#0335
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Die holländifche Malerei des 17. Jahrhunderts. H. Die Maler des Nordens von Holland. 863
mag er fich in Spanien aufgehalten haben; 1650 befand er fich bereits wieder ^Heimath
in feiner Heimath1); 1654 verheirathete er fich zu Deventer; 1655 wurde er
Bürger diefer Stadt, zu deren Bürgermeifter er fpäter gewählt wurde; und aueBürger-
während des Vierteljahrhunderts, welches ihm nun noch in reicher, Riher Twenter"
Schaffensfreude und häuslichem Glücke zu leben vergönnt war, gehörte er zu
den Zierden Deventers. Er darb hier am 8. December 1681; feine Leiche Sein Tod. .
wurde nach Zwolle übergeführt; aber feine hauptfachlichfte Thätigkeit, die
Wirkfamkeit, welche ihn unfterblich gemacht hat, entfaltete er während feiner
letzten 26 bis 27 Lebensjahre in Deventer. Hier malte er die Mehrzahl aller Sittenbilder
jener Sittenbilder und jener feinen Bildniffe in kleinem Mafsftabe, in denen er ’r'nd Bildniffe
als echter Künftler alle die verfchiedenen Einflüffe, die bisher auf ihn ein- Zeit-
gewirkt hatten, zu einem reinen, eigenen, reizvollen Ganzen verarbeitete.
Terborch tritt uns in allen diefen Bildern hauptfächlich als der Maler vor- Ih1edftikak"
nehmer Gefellfchaftskreife entgegen; und er übertraf alle anderen holländifchen
Maler diefer Kreife, weil er, wie kein anderer, in feiner ganzen Auffaffung und
Behandlung den vornehmen Ton zu wahren verftand. Vornehm hält er fich
von allen Uebertreibungen, ja, er hält fich, was nicht unbedingt dazu gehört,
von allen humoriftifchen Wendungen fern; vornehm legt er den Vorgängen,
welche er darftellt, nur für die feinere Empfindung pfychologifch intereffante
Beziehungen unter, die uns zum Nachdenken und Weiterforfchen anregen, fodafs
wir, da er verwandte Vorgänge aus gleichen Kreifen, ja mit den gleichen
Figuren und gar den gleichen Geräthen darzuflellen liebt, unwillkürlich novel-
liftifche Fäden von einem feiner Bilder zum anderen hinüberfpinnen und zu der
Meinung verleitet werden, der Meifter habe uns ganze Gefchichten in Bilder-
folgen erzählen wollen2). Vornehm iff aber auch die ruhige Anordnung feiner
Gruppen, die gewählte Haltung feiner einzelnen Gehalten, vornehm ift die zurück-
haltende, mafsvolle, wirklich nebenfächliche Geflaltung des Nebenfächlichen,
vornehm die im Ganzen fchlicht und kühle, im Einzelnen aber durch feine, leb-
hafte, geiftvoll gegeneinandergeflellte Farben belebte Stimmung, vornehm auch
die alle Spuren des Pinfels und der Palette verläugnende, alles Stoffliche ungemein
natürlich und ungefucht wiedergebende, alles Technifche fpielend dem Gefammt-
eindruck unterordnende malerifche Behandlung. Die weifsen Seidenkleider feiner
Damen wirken wie wirkliche Seide; aber man hält es für felbflverftändlich, dafs
fie fo wirken; man wird nicht aufdringlich auf die Technik hingewiefen.
Den fünfziger Jahren, in denen er noch etwas kräftigere Wirkungen liebte, Sei"ies }Jdder
als fpäter, gehören Bilder feiner Hand an, wie der »Lefeunterricht« in der fünfziger
a ö Jahren
Sammlung Lacaze des Louvre, wie die von 1655 datirte »Depefche« des in Paris,
Haager Mufeums, wie »der Bote vom Lande« und »der Liebesantrag« in der im Haag,
Ermitage zu St. Petersburg, das »Concert« im Louvre zu Paris, die »Mufik-in
Runde« der National Gallery zu London, »das Glas Limonade« beim Baron Bindon.
Alphonfe Rothfchild zu Paris, die »Effafette« bei Mrs. Thomas Hope zu London.
1) Oud Holland IV. p. 155.
2) C. Lemcke lagt hübfch in feiner Befprecliung des Meifters in Dohme''s »Kunft und Künftler«
XXIV S. 15: »Wie lacht der Kerl! Wie blickt das Mädchen wunderbar! Wie unfagbar wahr geben
fich da die Menfchen! fagt man bei Fr. Hals. Bei Terborch auch noch: Was haben fie miteinander?
Was fprechen fie denn gerade? Was denkt fie?«
 
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