pIO Siebentes Buch. Die Malerei des 18. Jahrhunderts.
Decorativer zurück. Die Rococokunft x) bildete ihre eigene Ausdrucksweife daher vorzugs-
der Rococo- weife in der leichten Binnendecoration, im praktifchen Kunfthandwerk und in
der zierlichen Kleinkunft aus. Die weichen oder gefchmeidigen Stoffe des
Stucks, mit dem Decken und Wände der Wohnräume verziert wurden, des edlen
Metalls, aus dem die in reichen Zierformen fchwelgenden Gefäfse des täglichen
Gebrauchs verfertigt wurden, und des Porzellans, der reifflen Frucht der
Rococozeit, welches die »Salons« und »Boudoirs« nicht nur mit Gefäfsen, fon-
dern auch mit hundert anmuthigen Werken der Kleinkunft fchmückte, waren
wie gefchaffen, um die in weichen S-Linien gefchwungene, mit Mufcheln und
Bändern, Blumen und Blättern fpielende, mehr umrahmende als ausfüllende
Rococo-Ornamentik, deren Hauptmeifter die Franzofen Jufte-2\urele Meiffonier
(1695—1750) und Gilles-Marie Oppenord (1672—1742) waren, ins Leben zu
rufen und auszubilden. Die Grundformen der grofsen, zugleich behaglichen und
weiträumigen Palafl- und Kirchenarchitektur berührte diefe neue, tändelnde
Kunftweife nur in Ausnahmefällen; und dem entfpricht es, dafs auch die
diefer1 ZeiT a e r e zwar> w0 ^ie ^ch noch mehr oder weniger monumental den Werken
gemäide der Baukunft aufchmiegt, wie in den grofsen Deckengemälden der
Kirchen, der Säle und vor allen Dingen der Treppenhäufer der Paläfte, von
einigen glänzenden Ausnahmen abgefehen, ausladend und fchwülftig oder
akademifch kalt und nüchtern bleibt, ohne an dem eigentlichen Gebahren des
Rococoftiles Antheil zu nehmen, fich diefem aber anfchmiegt, wo es kleinere
übenden Bcftandtheile der Zimmerdecoration, z. B. die Felder über den Thür en
Thuren. ung jje Wandmitten, foweit hier die Gemälde nicht durch Spiegel verdrängt
werden, zu fchmücken gilt. Die Maler der Liebesfcenen in Götter- oder
Schäfermaske, der galanten Fefte im Freien oder der fchlüpfrigen Vorgänge
im Boudoir find daher auch die eigentlichen Vertreter des Rococo, einerlei ob
Sbtider.1’fie unmittelbar auf die Wände, oder ob fie Staffeleibilder malen, die
beftimmt find, an den Wänden befefligt zu werden. Der Vorliebe der Rococo-
Pafteii- kunfj für zarte Farbentöne und weiche Formen verdankt dann die Pafte 11-
mal er ei, die fich ftatt des Pinfels und der Oelfarbe farbiger Kreideflifte,
deren Striche fie mit dem Wifcher malerifch zu verfchmelzen weifs, bedient,
ktwiT^nd ihre Ausbildung hauptfächlich fürs Bildnifsfach, die Schabkunft, der fich die
AMaani1erta'noch weichere Aquatinta-Manier anreiht, ihre Weiterbildung bis zu
vorübergehender Vorherrfchaft auf dem Gebiete der vervielfältigenden Künfte.
Uebrigens können wir die Malerei des 18. Jahrhunderts nicht betrachten,
1) Der Ausdruck RocoCo, welcher zu Ende des vorigen Jahrhunderts gelegentlich in Frankreich
benutzt worden, um das damals Veraltete zu verfpotten, ift nur in Deutfchland zu einer wiffenfchaftlichen
Bezeichnung geworden. A. v. Zahn fchlug in feinem Auffatz »Barock, Rococo und Zopf« (Ztfchrft. für
bild. K. VIII, 1873, 8. 1 —11, S. 33—44) vor, diefe drei Ausdrücke gleichbedeutend mit Stil
Louis XIV., Louis XV., Louis XVI., wie die Franzofen fagen, zu gebrauchen. Spätere deutfche
Architekturfchriftfteller, wie Rob. Dohme (»Studien zur Architekturgefchichte« in der Ztfchrft. für bild.
K. XIII, 1878, S. 292), P. Schumann (»Barock und Rococo«, Leipzig 1885, S. 2), Corn. Gurlitt
(»Gefchichte des Barock - Stils, des Rococo und des Klafficismus«, Stuttgart 1886, Bd. I, S. 7—8),
aber laffen Zahn’s Vorfchlag fallen und fuchen die Begriffe etwas anders zu faffen. Den Wortftreit
können wir auf fich beruhen laffen. Den Begriff des Rococo formal zu präcifiren, überlaffen wir der
Architekturgefchichte; kulturgefchichtlich unterliegt es keinem Zweifel, dafs das, was wir Rococo nennen,
im Wefentlichen der Zeit Ludwig’s XV. angehört.
Decorativer zurück. Die Rococokunft x) bildete ihre eigene Ausdrucksweife daher vorzugs-
der Rococo- weife in der leichten Binnendecoration, im praktifchen Kunfthandwerk und in
der zierlichen Kleinkunft aus. Die weichen oder gefchmeidigen Stoffe des
Stucks, mit dem Decken und Wände der Wohnräume verziert wurden, des edlen
Metalls, aus dem die in reichen Zierformen fchwelgenden Gefäfse des täglichen
Gebrauchs verfertigt wurden, und des Porzellans, der reifflen Frucht der
Rococozeit, welches die »Salons« und »Boudoirs« nicht nur mit Gefäfsen, fon-
dern auch mit hundert anmuthigen Werken der Kleinkunft fchmückte, waren
wie gefchaffen, um die in weichen S-Linien gefchwungene, mit Mufcheln und
Bändern, Blumen und Blättern fpielende, mehr umrahmende als ausfüllende
Rococo-Ornamentik, deren Hauptmeifter die Franzofen Jufte-2\urele Meiffonier
(1695—1750) und Gilles-Marie Oppenord (1672—1742) waren, ins Leben zu
rufen und auszubilden. Die Grundformen der grofsen, zugleich behaglichen und
weiträumigen Palafl- und Kirchenarchitektur berührte diefe neue, tändelnde
Kunftweife nur in Ausnahmefällen; und dem entfpricht es, dafs auch die
diefer1 ZeiT a e r e zwar> w0 ^ie ^ch noch mehr oder weniger monumental den Werken
gemäide der Baukunft aufchmiegt, wie in den grofsen Deckengemälden der
Kirchen, der Säle und vor allen Dingen der Treppenhäufer der Paläfte, von
einigen glänzenden Ausnahmen abgefehen, ausladend und fchwülftig oder
akademifch kalt und nüchtern bleibt, ohne an dem eigentlichen Gebahren des
Rococoftiles Antheil zu nehmen, fich diefem aber anfchmiegt, wo es kleinere
übenden Bcftandtheile der Zimmerdecoration, z. B. die Felder über den Thür en
Thuren. ung jje Wandmitten, foweit hier die Gemälde nicht durch Spiegel verdrängt
werden, zu fchmücken gilt. Die Maler der Liebesfcenen in Götter- oder
Schäfermaske, der galanten Fefte im Freien oder der fchlüpfrigen Vorgänge
im Boudoir find daher auch die eigentlichen Vertreter des Rococo, einerlei ob
Sbtider.1’fie unmittelbar auf die Wände, oder ob fie Staffeleibilder malen, die
beftimmt find, an den Wänden befefligt zu werden. Der Vorliebe der Rococo-
Pafteii- kunfj für zarte Farbentöne und weiche Formen verdankt dann die Pafte 11-
mal er ei, die fich ftatt des Pinfels und der Oelfarbe farbiger Kreideflifte,
deren Striche fie mit dem Wifcher malerifch zu verfchmelzen weifs, bedient,
ktwiT^nd ihre Ausbildung hauptfächlich fürs Bildnifsfach, die Schabkunft, der fich die
AMaani1erta'noch weichere Aquatinta-Manier anreiht, ihre Weiterbildung bis zu
vorübergehender Vorherrfchaft auf dem Gebiete der vervielfältigenden Künfte.
Uebrigens können wir die Malerei des 18. Jahrhunderts nicht betrachten,
1) Der Ausdruck RocoCo, welcher zu Ende des vorigen Jahrhunderts gelegentlich in Frankreich
benutzt worden, um das damals Veraltete zu verfpotten, ift nur in Deutfchland zu einer wiffenfchaftlichen
Bezeichnung geworden. A. v. Zahn fchlug in feinem Auffatz »Barock, Rococo und Zopf« (Ztfchrft. für
bild. K. VIII, 1873, 8. 1 —11, S. 33—44) vor, diefe drei Ausdrücke gleichbedeutend mit Stil
Louis XIV., Louis XV., Louis XVI., wie die Franzofen fagen, zu gebrauchen. Spätere deutfche
Architekturfchriftfteller, wie Rob. Dohme (»Studien zur Architekturgefchichte« in der Ztfchrft. für bild.
K. XIII, 1878, S. 292), P. Schumann (»Barock und Rococo«, Leipzig 1885, S. 2), Corn. Gurlitt
(»Gefchichte des Barock - Stils, des Rococo und des Klafficismus«, Stuttgart 1886, Bd. I, S. 7—8),
aber laffen Zahn’s Vorfchlag fallen und fuchen die Begriffe etwas anders zu faffen. Den Wortftreit
können wir auf fich beruhen laffen. Den Begriff des Rococo formal zu präcifiren, überlaffen wir der
Architekturgefchichte; kulturgefchichtlich unterliegt es keinem Zweifel, dafs das, was wir Rococo nennen,
im Wefentlichen der Zeit Ludwig’s XV. angehört.