962
Siebentes Buch. Dritter Abfchnitt.
Sein Leben erfter Lehrer, Jacques Albert Gerin, war, wie feine in Valenciennes erhaltenen
ULehrTrne Bilder zeigen, ein tüchtiger, wenn auch nüchterner und conventioneller Künftler.
Um 1702 ging Watteau nach Paris, trat hier zuerft bei einem Theaterdecora-
tionsmaler als Gehilfe ein, liefs fich dann von einer Heiligenbilderfabrik befchäf-
tigen und kam erft in fein richtiges Fahrwaffer, als Claude Gillot ihn als
Schüler annahm; doch entzweite er fich mit diefem Meifter und fchlofs fich an
Claude Audran, einen Wanddecorationsmaler an, der zugleich Concierge des
Palais du Luxembourg war. Um 1708 wurde Watteau jedoch noch Schüler
der Akademie; 1709 gewann er die erfte akademifche Anerkennung in Geflalt
des zweiten Schülerpreifes; mit ihm in der Tafche kehrte er auf einige Jahre
nach feiner Vaterftadt zurück; um 1711 aber finden wir ihn wieder in Paris,
wo er 1712 als agree der Akademie aufgenommen wurde. Jetzt erhielt er fo
viele Aufträge, dafs er fünf Jahre mit der Einlieferung feines Receptionsbildes
zauderte. Erft 1717 wurde er daher wirkliches Mitglied der Akademie; 1720
hielt er fich in London auf; dann kehrte er nach Paris zurück, in deffen Um-
gegend (in Nogent an der Marne) er am 18. Juli 1721 an der Schwindfucht
ftarb. Die Krankheit hatte ihn Jahre lang geplagt und frühzeitig mifsmuthig
und menfchenfcheu gemacht.
Sein Ent- Auf welchem Wege Watteau feine Vorliebe für die Typen und Trachten
gang. des Theaters, feine Fähigkeit, eine decorative Bildwirkung im beften Sinne
des Wortes zu erzielen, und feine Leichtigkeit im Anordnen und Ausführen
erhielt, ergiebt fich aus den Meiftern und Verhältniffen, die ihn beeinflußen
mufsten, von felbft. Um aber zu begreifen, wie er mit diefen Meiftern ein
in feiner Art wirklich grofser, in Linien und F'arben gleich feinfühliger und
frifcher, in Auffaffung und Ausführung gleich wahrer und innerlich lebendiger,
vor allen Dingen aber in feinen Figurenfcenen und in feinen Landfchaften
gleich durchgeiftigter und poetifch empfindender Künftler werden konnte, mufs
man fich der Studien erinnern, die er zu verfchiedenen Zeiten feines Lebens
auf eigene Hand nach grofsen, älteren Meiftern gemacht hat. In Valenciennes,
der erft unter Ludwig XIV. franzöfifch gewordenen Stadt, fehlte es nicht an
Bildern altvlämifcher Meifter. Rubens, van Dyck und Teniers hatte Watteau
von klein auf vor Augen. Sie haben feine Richtung von Anfang an beeinflufst.
Mächtig ergriff ihn dann Rubens’ grofser Gemäldecyklus aus dem Leben der
Maria de’ Medici, den er, während er Audran’s Gefelle im Luxembourg war,
mit Mufse ftudiren konnte. Seine künftlerifche Ausbildung vollendete aber
der intime Umgang mit Männern wie Gerfaint, Julienne, Crozat, Mariette, Caylus,
die zu den feinften Kennern Frankreichs gehörten. Sie nahmen fich Watteau’s
von Anfang an an. Bei Crozat, dem berühmten Sammler, wohnte er eine
Goncourt: L’art du XVIII. siede, 3. Aufl., 1880, p. 11—32. — D’Argensville a. a. O. II, 1745,
p. 420—423. — Mariette a. a. O. VI, p. 104—136. —• Dazu A. de Montaiglon-. Proces verbaux
de l’Academie royale, IV, 1881 und Archives de l’art frangais, I, p. 379; II, p. 208—213 u. 391;
IV, p. 112; V, p. 285. — Neuere Literatur: Cellier: Antoine Watteau. Valenciennes 1867. —
£. de Goncourt-. Catalogue ruisonne de l’oeuvre peint, dessine et grave d’Antoine Watteau. Paris
i87S- — R- Dohme in »Kunft und Künftler« Nr. 97. — Dohme in der Ztfchrft. f. b. K. XI,
1876, S. 86—93. — R. Dohme im Jahrbuch der Pr. K. S. IV, 1883, S. 217— 242. — Th. Voll-
behr: Antoine Watteau, Inaugural-Differtation. München 1885.
Siebentes Buch. Dritter Abfchnitt.
Sein Leben erfter Lehrer, Jacques Albert Gerin, war, wie feine in Valenciennes erhaltenen
ULehrTrne Bilder zeigen, ein tüchtiger, wenn auch nüchterner und conventioneller Künftler.
Um 1702 ging Watteau nach Paris, trat hier zuerft bei einem Theaterdecora-
tionsmaler als Gehilfe ein, liefs fich dann von einer Heiligenbilderfabrik befchäf-
tigen und kam erft in fein richtiges Fahrwaffer, als Claude Gillot ihn als
Schüler annahm; doch entzweite er fich mit diefem Meifter und fchlofs fich an
Claude Audran, einen Wanddecorationsmaler an, der zugleich Concierge des
Palais du Luxembourg war. Um 1708 wurde Watteau jedoch noch Schüler
der Akademie; 1709 gewann er die erfte akademifche Anerkennung in Geflalt
des zweiten Schülerpreifes; mit ihm in der Tafche kehrte er auf einige Jahre
nach feiner Vaterftadt zurück; um 1711 aber finden wir ihn wieder in Paris,
wo er 1712 als agree der Akademie aufgenommen wurde. Jetzt erhielt er fo
viele Aufträge, dafs er fünf Jahre mit der Einlieferung feines Receptionsbildes
zauderte. Erft 1717 wurde er daher wirkliches Mitglied der Akademie; 1720
hielt er fich in London auf; dann kehrte er nach Paris zurück, in deffen Um-
gegend (in Nogent an der Marne) er am 18. Juli 1721 an der Schwindfucht
ftarb. Die Krankheit hatte ihn Jahre lang geplagt und frühzeitig mifsmuthig
und menfchenfcheu gemacht.
Sein Ent- Auf welchem Wege Watteau feine Vorliebe für die Typen und Trachten
gang. des Theaters, feine Fähigkeit, eine decorative Bildwirkung im beften Sinne
des Wortes zu erzielen, und feine Leichtigkeit im Anordnen und Ausführen
erhielt, ergiebt fich aus den Meiftern und Verhältniffen, die ihn beeinflußen
mufsten, von felbft. Um aber zu begreifen, wie er mit diefen Meiftern ein
in feiner Art wirklich grofser, in Linien und F'arben gleich feinfühliger und
frifcher, in Auffaffung und Ausführung gleich wahrer und innerlich lebendiger,
vor allen Dingen aber in feinen Figurenfcenen und in feinen Landfchaften
gleich durchgeiftigter und poetifch empfindender Künftler werden konnte, mufs
man fich der Studien erinnern, die er zu verfchiedenen Zeiten feines Lebens
auf eigene Hand nach grofsen, älteren Meiftern gemacht hat. In Valenciennes,
der erft unter Ludwig XIV. franzöfifch gewordenen Stadt, fehlte es nicht an
Bildern altvlämifcher Meifter. Rubens, van Dyck und Teniers hatte Watteau
von klein auf vor Augen. Sie haben feine Richtung von Anfang an beeinflufst.
Mächtig ergriff ihn dann Rubens’ grofser Gemäldecyklus aus dem Leben der
Maria de’ Medici, den er, während er Audran’s Gefelle im Luxembourg war,
mit Mufse ftudiren konnte. Seine künftlerifche Ausbildung vollendete aber
der intime Umgang mit Männern wie Gerfaint, Julienne, Crozat, Mariette, Caylus,
die zu den feinften Kennern Frankreichs gehörten. Sie nahmen fich Watteau’s
von Anfang an an. Bei Crozat, dem berühmten Sammler, wohnte er eine
Goncourt: L’art du XVIII. siede, 3. Aufl., 1880, p. 11—32. — D’Argensville a. a. O. II, 1745,
p. 420—423. — Mariette a. a. O. VI, p. 104—136. —• Dazu A. de Montaiglon-. Proces verbaux
de l’Academie royale, IV, 1881 und Archives de l’art frangais, I, p. 379; II, p. 208—213 u. 391;
IV, p. 112; V, p. 285. — Neuere Literatur: Cellier: Antoine Watteau. Valenciennes 1867. —
£. de Goncourt-. Catalogue ruisonne de l’oeuvre peint, dessine et grave d’Antoine Watteau. Paris
i87S- — R- Dohme in »Kunft und Künftler« Nr. 97. — Dohme in der Ztfchrft. f. b. K. XI,
1876, S. 86—93. — R. Dohme im Jahrbuch der Pr. K. S. IV, 1883, S. 217— 242. — Th. Voll-
behr: Antoine Watteau, Inaugural-Differtation. München 1885.