Die franzöfifche Malerei des 18. Jahrhunderts. B. Die franzöfifchen Sittenmaler. 969
aber auch noch äufserlicher, trockener, bunter und derber. Der deutfche Kaifer
befitzt, einfchliefslich der vierzehn netten kleinen Darftellungen, welche
Scarron’s »Roman comique« illuftriren, nicht weniger als 25 Bilder Paters. Im
Louvre fieht man fein akademifches Receptionsbild, »ein ländliches Feil« von
1728, dazu vier charakteriftifche Bilder feiner Hand in der Sammlung Lacaze.
Je zwei Gemälde feiner Hand befitzen die Dresdener Galerie und die Ermitage
zu St. Petersburg. Der Verfaffer hielt auch die vier Watteau zugefchriebenen
Bilder im Buckingham Palace zu London für Werke Paters. Im englifchen
Privatbefitze ift der Meifter auch fonft vertreten.
Dafs auch Boucher bei Watteau’s Bildern in die Schule ging und in einer Boucher als
ö 0 Nachfolger
ganzen Reihe von mehr oder weniger fittenbildlichen Gemälden als ein kalter, Watteau’s.
lüfterner, oberflächlicher Nachahmer des liebenswürdigen Meifters von Valen-
ciennes erfcheint, wiffen wir bereits (oben S. 954). Boucher’s Nachfolger, die ^hüier3
wir dementfprechend oben noch nicht befprochen haben, gingen ganz zum
»Genre« über.
Hierher gehört zunächft einer von Boucher’s beiden Schwiegerföhnen,
Pierre Antoine Baudouin (1723—1769), ein echter Parifer, der, indem er auch Baudouin,
die ideale Sonntagswelt, in der Boucher fich doch noch vorzugsweife erging,
mit der alltäglichen vertaufchte, die Lüflernheit feines Meifters durch Schlüpfrig-
keit erfetzte. Von feinen Gemälden ift uns keines bekannt; doch ift er durch
die Stiche zeitgenöfflfcher Stecher nach feinen pikanten kleinen Darftellungen
bekannt genug ]).
Hierher gehört ferner vor allen Dingen Jean-Honorc Fragonard'1 2}, der am FrJg0^rd
17. April 1732 zu Graffe in der Provence geboren wurde und am 22. Aug.
1806 zu Paris ftarb. Aufser Boucher, feinem Hauptlehrer, hatte vorübergehend
auch Chardin ihn beeinflufst. In der Akademie wurde er 1765 auf Grund
feines pathetifchen Hiftorienbildes »der Selbftmord des Corefus« als aufnahme- Sein Leben,
berechtigt anerkannt. Die wirkliche Aufnahme verfchmähte er jedoch. Jenes
Hiftorienbild, welches fich jetzt im Louvre befindet, charakterifirt Fragonard bild,
ebenfowenig wie feine flüchtige Landfchaft in derfelben Sammlung. Einiger- Lanrd'f"^aft
mafsen kennzeichnet ihn fein lebensgrofses Halbfigurenbild »die Mufikftunde« feinftcj”dellflk'
im Louvre. Wirklich charakteriftifch ift er in diefer Galerie aber erft vertreten, im Louvre,
feit ihr die Sammlung Lacaze zugefallen. Man braucht fich nur die Gegen- Seine charak-
° ° tenftifchen
ftände der zehn Bilder F'ragonard’s, welche die Salle Lacaze beherbergt, zu Bilder in der
S . . Salle Lacaze
vergegenwärtigen, um über das eigenfte Stoffgebiet des Meifters, welches das des Louvre,
ideale, das paftorale und das alltägliche Sittenbild umfafste, vollftändig unter-
richtet zu fein. Diefe Gegenftände find: 1) »die Schäferftunde« (Amoretten
zeigen einem unter Bäumen ruhenden Liebespaar ein Zifferblatt); 2) badende
Frauen (Fig. 658); 3) eine fchlafende Nymphe; 4) »das aufgehobene Hemd«
(ein Liebesgott bei einer ruhenden Frau); 5) der junge Guitarrenfpieler;
6) lefende junge Frau; 7) »die Eingebung« (ein Herr am Schreibtifch); 8) eine
Phantafiegeftalt; 9) junge Frau mit ihrem Kinde; 10) Gewitterlandfchaft. —
Alle diefe und ähnliche, manchmal gewagte, durch ihre frifche unbefangene
1) Em. Bocher: Catalogue raisonne etc. de P. A. Baudouin in »les gravures frangaises du
XVIII. siede«, II. Paris 1875.
2) E. J. de Goncourt, L’art du XVIII. siede, II (ed. 1882), p. 311— 381.
aber auch noch äufserlicher, trockener, bunter und derber. Der deutfche Kaifer
befitzt, einfchliefslich der vierzehn netten kleinen Darftellungen, welche
Scarron’s »Roman comique« illuftriren, nicht weniger als 25 Bilder Paters. Im
Louvre fieht man fein akademifches Receptionsbild, »ein ländliches Feil« von
1728, dazu vier charakteriftifche Bilder feiner Hand in der Sammlung Lacaze.
Je zwei Gemälde feiner Hand befitzen die Dresdener Galerie und die Ermitage
zu St. Petersburg. Der Verfaffer hielt auch die vier Watteau zugefchriebenen
Bilder im Buckingham Palace zu London für Werke Paters. Im englifchen
Privatbefitze ift der Meifter auch fonft vertreten.
Dafs auch Boucher bei Watteau’s Bildern in die Schule ging und in einer Boucher als
ö 0 Nachfolger
ganzen Reihe von mehr oder weniger fittenbildlichen Gemälden als ein kalter, Watteau’s.
lüfterner, oberflächlicher Nachahmer des liebenswürdigen Meifters von Valen-
ciennes erfcheint, wiffen wir bereits (oben S. 954). Boucher’s Nachfolger, die ^hüier3
wir dementfprechend oben noch nicht befprochen haben, gingen ganz zum
»Genre« über.
Hierher gehört zunächft einer von Boucher’s beiden Schwiegerföhnen,
Pierre Antoine Baudouin (1723—1769), ein echter Parifer, der, indem er auch Baudouin,
die ideale Sonntagswelt, in der Boucher fich doch noch vorzugsweife erging,
mit der alltäglichen vertaufchte, die Lüflernheit feines Meifters durch Schlüpfrig-
keit erfetzte. Von feinen Gemälden ift uns keines bekannt; doch ift er durch
die Stiche zeitgenöfflfcher Stecher nach feinen pikanten kleinen Darftellungen
bekannt genug ]).
Hierher gehört ferner vor allen Dingen Jean-Honorc Fragonard'1 2}, der am FrJg0^rd
17. April 1732 zu Graffe in der Provence geboren wurde und am 22. Aug.
1806 zu Paris ftarb. Aufser Boucher, feinem Hauptlehrer, hatte vorübergehend
auch Chardin ihn beeinflufst. In der Akademie wurde er 1765 auf Grund
feines pathetifchen Hiftorienbildes »der Selbftmord des Corefus« als aufnahme- Sein Leben,
berechtigt anerkannt. Die wirkliche Aufnahme verfchmähte er jedoch. Jenes
Hiftorienbild, welches fich jetzt im Louvre befindet, charakterifirt Fragonard bild,
ebenfowenig wie feine flüchtige Landfchaft in derfelben Sammlung. Einiger- Lanrd'f"^aft
mafsen kennzeichnet ihn fein lebensgrofses Halbfigurenbild »die Mufikftunde« feinftcj”dellflk'
im Louvre. Wirklich charakteriftifch ift er in diefer Galerie aber erft vertreten, im Louvre,
feit ihr die Sammlung Lacaze zugefallen. Man braucht fich nur die Gegen- Seine charak-
° ° tenftifchen
ftände der zehn Bilder F'ragonard’s, welche die Salle Lacaze beherbergt, zu Bilder in der
S . . Salle Lacaze
vergegenwärtigen, um über das eigenfte Stoffgebiet des Meifters, welches das des Louvre,
ideale, das paftorale und das alltägliche Sittenbild umfafste, vollftändig unter-
richtet zu fein. Diefe Gegenftände find: 1) »die Schäferftunde« (Amoretten
zeigen einem unter Bäumen ruhenden Liebespaar ein Zifferblatt); 2) badende
Frauen (Fig. 658); 3) eine fchlafende Nymphe; 4) »das aufgehobene Hemd«
(ein Liebesgott bei einer ruhenden Frau); 5) der junge Guitarrenfpieler;
6) lefende junge Frau; 7) »die Eingebung« (ein Herr am Schreibtifch); 8) eine
Phantafiegeftalt; 9) junge Frau mit ihrem Kinde; 10) Gewitterlandfchaft. —
Alle diefe und ähnliche, manchmal gewagte, durch ihre frifche unbefangene
1) Em. Bocher: Catalogue raisonne etc. de P. A. Baudouin in »les gravures frangaises du
XVIII. siede«, II. Paris 1875.
2) E. J. de Goncourt, L’art du XVIII. siede, II (ed. 1882), p. 311— 381.