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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,2) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48522#0520
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1048

Siebentes Buch. Fünfter Abfchnitt.

Ihre Bilder

Charakter
ihrer Kunft.

Angelica
Kauffmann.

Ihre
Nationalität.

1) Giov. Gher. de Roffi: Vita di A. Kauffmann. Firenze 1810. — Deutfeh von A. Weinhart.
Bregrenz 1814.

gehörte auch Angelica Kauffmann '), die berühmtefle deutfehe Künftlerin des
vorigen Jahrhunderts, welche, wie Graff, in der deutfehen Schweiz geboren war.
Ihrem Bildungsgänge und ihrem Wirkungskreife nach ift fie, im Gegenfatze zu
ihrem Landsmanne, fo international, dafs man daran zweifeln könnte, ob fie
mit Recht zur deutfehen Schule gezählt wird. Aber zu welcher anderen Schule
foll man eine Frau deutfeher Abkunft zählen, welche in Goethes Leben eine
Rolle fpielte und, obgleich fie an einen Italiener verheiratet gewefen war, fich
in ihrer Todesftunde ein geiftliches Lied Geliert’s vorlefen liefs? Angelica
ihr Leben. Kauffmann ift am 30. Oct. 1741 zu Chur geboren. Ihr Vater, ein Deutfeher,
war felbft Maler und leitete ihren Unterricht, zog aber fchon früh mit ihr nach
Italien, wo fie fich durch Copiren nach den grofsen alten Meiftern weiter-
bildete; 1763 erfchien fie in Rom, wo fie innige Freundfchaft mit Winckelmann
fchlofs und unter den Bann feiner antikifirenden Auffaffung gerieth; 1766 ging
fie von Venedig über Paris nach London, wo fie grofse Triumphe feierte und
der Akademie zugefeilt wurde, aber auch fchwere Lebenserfahrungen machte.
Die Hand des berühmten Malers Sir Jofuah Reynolds hatte fie ausgefchlagen,
fich dafür aber von einem Schwindler bethören laffen, von dem fie fich nach
kurzer Ehe, da fich herausflellte, dafs er fich einen falfchen Namen beigelegt
hatte und fchon verheiratet war, fcheiden laffen mufste. Gleichwohl blieb fie bis
1776 in London. In diefem Jahre reichte fie dem mittelmäfsigen venezianifchen
Maler ^.ntonio Zucchi ihre Hand und fiedelte mit ihm und ihrem Vater erft
nach Venedig, 1782 aber, nach ihres Vaters Tode, nach Rom über. Hier
ftarb ihr Gatte 1795, fie felbft am 5. Nov. 1807.
Angelica Kauffmann ift die Malerin weiblicher Anmuth und Liebenswürdig-
keit. Ihren keineswegs feltenen mythologifchen und ziemlich feltenen religiöfen
Bildern fehlt es an Kraft der Zeichnung und der Färbung, nicht aber an Leicht-
fl üffigkeit der Behandlung, an Sinnigkeit der Auffaffung und an Zartheit des
Ausdrucks. Ihre oft mit allegorifirendem Beiwerk ausgeflatteten Bildniffe find,
im Gegenfatze zu denjenigen Graff s, durchaus Kinder ihrer Zeit. Wenn ihnen
auch eine glückliche Auffaffung und Anordnung der Perfönlichkeiten und eine
gewandte, weiche, einfchmeichelnde Behandlungsweife nicht abgefprochen werden
kann, fo erfcheinen fie uns heutzutage doch oft marklos und verblafen. Dafs
Angelica’s Zeit aber noch keineswegs ganz vorüber ift, zeigt fich z. B. in der
Vorliebe, mit welcher ihre beiden weiblichen Bildniffe in antikiflrender Ver-
mummung, welche eine Dame als Sibylle und eine Dame als Veftalin dar-
in Dresden. Bellen, in der Dresdener Galerie noch heute copirt werden (Fig. 680). Diefe
Bilder gehören in ihrer finnigen Haltung und ihrer duftigen Behandlung aller-
dings zu den liebenswürdigften und feinfühligften Werken der Künftlerin.
Die meiften Werke Angelica’s befinden fich wohl noch in den englifchen,
deutfehen, italienifchen und ruffifchen Paläften, für die fie gemalt worden. Es
fehlt an den Vorarbeiten, um einen vollftändigen Ueberblick über fie zu geben.
Von ihren »Hiftorienbildern« in öffentlichen Sammlungen find als charakteriftifche
in Wien, Werke hervorzuheben: in der kaif. Galerie zu Wien die beiden grofsen Bilder
 
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