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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,2) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48522#0548
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1076

Northbrook in London und bei Mr.

Seine
Bedeutung.

Th. Gains-
borough.

Reynolds
als Land-
fehafter.

Religiöfe
Darftel-
lungen.

Sein
Leben.
Seine Ent-
wicklung.

Siebentes Buch. Sechster Abfchnitt.

Iphigenie zeigt. Schwächer find Bilder, wie »die Liebe von der Hoffnung
genährt« in Bowood und »Venus und Cupido« beim Lord Northbrook. Grofses
Auffehen erregte feiner Zeit fein romantifches Bild »Ugolino mit feinen Söhnen«
(Fig. 687). Es foll fich in der Sammlung zu Knole in Kent befinden j).
Von den biblifchen Darftellungen Reynolds’ iff »der Prophet Samuel als
Knabe« die beliebtefte, am öfteften wiederholte. Man lieht fie z. B. in der
National Gallery zu London und im Dulwich College. Realiftifcher, als man
es dem Meifter bei feinen Grundfätzen zutrauen follte, ift »die Anbetung der
Hirten«, in Oel ausgeführt beim Earl Fitzwilliam, als Glasgemälde ausgeführt
in New College zu Oxford; und jedenfalls mehr durch van Dyck, als durch
Michelangelo beeinflufst, darum unteres Erachtens aber innerhalb ihrer eklekti-
fchen Unfelbfländigkeit nicht ganz fo unerfreulich, wie fie Manchen erfchienen,
ift feine grofse heil. Familie in der National Gallery zu London (Fig. 688).
Dafs Reynolds auch ein fähiger Landfehafter war, zeigen die Hintergründe
mancher feiner Bilder; sie pflegen warm, breit, einheitlich im Ton, nur für die
Gefammtwirkung berechnet hingeftrichen zu fein; und diefelbe Haltung zeigen
einige wirkliche Landfchaftsbilder, die dem Meifter, wie es fcheint mit Recht,
zugefchrieben werden, z. B. beim Lord
Galton zu Hadzor.
Als ein bedeutfamer, einflufsreicher
Gebieten. Unfterblichen Nachruhm aber

Meifter erfcheint Reynolds auf allen
hat er nur als Bildnifsmaler verdient.
Der vierte Grofsmeifter der englifchen Schule des 18. Jahrhunderts, Thomas
Gainsborough, ift weniger einfeitig als Hogarth und Wilfon, weniger lehrhaft
und abfichtlich als Reynolds. Der letztere ift ein künftlicherer, Gainsborough2)
ift ein natürlicherer, urwüchfigerer Künftler. Je nach dem Standpunkte des
Beurtheilers find die beiden wetteifernden Meifter daher in ihrem Werth-
verhältnifs zu einander fehr verfchieden beurtheilt worden3). Alles in Allem
genommen aber könnte Reynolds eher aus der Entwickelung der englifchen
Schule fortgedacht werden, als Gainsborough. Seine grofse Bedeutung liegt
in feiner Selbftändigkeit. Für ihn, im vollften Gegenfatz zu Reynolds, exiftirten
die alten Meifter urfprünglich gar nicht, wenn er auch fpäter gelegentlich
Studien-Copien nach Gemälden des Rubens und van Dyck’s, feinen ihm wahl-
verwandten Lieblingen, gemacht hat. Nachdem er die nothwendigfte Technik
bei einem mittelmäfsigen Meifter erlernt, entwickelte er fich in jeder Beziehung
aus fich felbft heraus. Er fah die englifche Natur mit feinen ureigenen eng-
lifchen Augen an und ftellte fie mit breiter, kräftiger, gefunder, oft für die

1) In Bezug auf die englifchen Privatfammlungen, die in jüngfter Zeit manchmal ihre Befitzer
gewechfelt haben, ift der Verfaffer nicht fieber, in allen Fällen richtig über ihren jüngflen Beftand
unterrichtet zu fein.
2) Rob. Pratt: Sketch of the life and paintings of Thomas Gainsborough. London 1788. —
George William Fulcher (ed. by his son): Life of Thomas Gainsborough. London 1856.
3) Richtig fcheint uns die Beurtheilung bei R. <p S. Redgrave: A Century of painting, I, p. 169.
— Viel zu gering beurtheilt den Meifter unferes Erachtens Beavington- Atkinfon in dem Auffatz
über ihn in Dohme’s »Kunft und Künftler«, Lief. 105. — Erneß Chesneau dagegen in feiner »Pein-
ture anglaise« fagt geradezu p. 497: »Reynolds fut tout esprit et volonte, Gainsborough tout äme et
temperament; le premier plait aux raffines; celui-ci enchante tout le monde. La part de Gains-
borough est preferable.«
 
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