Die englifche Malerei des 18. Jahrhunderts. A. Die vier Begründer und ihre Vorläufer. io8l
Auge für die Natur und ihre Milderungsmittel noch oft — nicht aufgeflellt,
fondern gelöfl. — Zu feinen heften Bildern im Privatbefitze gehören ferner das
Doppelbildnifs »Mr. and Mrs. Hallet« bei Mr. Hilliard in Uxbridge, »Lady
Ligonier« beim Lord Rivers, das Bildnifs der Frau Jordan beim Lord North-
brook in London und Bildniffe, wie diejenigen der Herzogin von Cleveland,
der Herzogin von Beaufort, der Lady Wortley Montagne, der Gattin
Gainsborough’s und Benjamin Franklins, welche auf den Porträtausftellungen
im South Kenfington Mufeum Auffehen erregten. Wie hoch Gainsborough’s d2-elBndniffe
Bilder noch jetzt in England gefchätzt werden, beweifen die Preife, die für fie Gains-
11 i T"-- t i • i <-> . borough’s.
gezahlt werden, bür »die beiden Schweftern« (Lady Day und die Baroneffe
von Noailles) wurden im letzten Jahrzehnt 126000 Mark, für das Bildnifs der
Herzogin von Devonfhire aus der Sammlung Wynn-Ellis wurden 1876 fogar
202 000 Mark gezahlt. Das Bild, deffen Echtheit übrigens beftritten war, wurde
dem Käufer, der es öffentlich ausgeflellt hatte, bald darauf geflöhten und ift
nie wieder zum Vorfchein gekommen. Eine eigenhändige Skizze zu ihm be-
findet fich im Dover Houfe zu London l).
Gainsborough’s reife Landfchaften pflegen nicht unmittelbar vor der, Gains‘
0 1 ö borough s
Natur gemalt, fondern nach Zeichnungen oder aus der Erinnerung in Farbe fcGa”tde'n
gefetzt zu fein. Man wirft ihnen die Eintönigkeit der Bäume, deren Arten
man nicht unterfcheiden könne, und überhaupt einen Mangel an Individualifirung ihre Art.
im Einzelnen vor. Das hindert aber nicht, dafs fie im Ganzen aufserordentlich
wahre, fchlicht und zugleich poetifch aufgefafste Spiegelbilder der üppigen,
baumreichen, reich von Vieh und Menfchen belebten Landfchaften Südenglands
find. Das Sonnenlicht fpielt auf manchen von ihnen eine ähnliche Rolle, wie
auf denjenigen Cuyp’s oder Hobbema’s. Ihre oft allzubraune Glutfarbe pflegt
die Wirkung eines fchweren, nachgedunkelten Firniffes zu fein. Urfprünglich
waren fie heller und wahrer im Luftton. Alles in Allem genommen bleiben
fie die bahnbrechenden Werke der neueren realiftifchen Landfchaftsmalerei
Englands. Als hauptfächlichfle der ländlichen Sittenbilder, welche den Ueber- Sittenbilder,
gang zu Gainsborough’s eigentlichen Landfchaften bilden, nennen wir die
»Rustic children« (Dorfkinder) in der National Gallery zu London, die an
Rembrandt’fche Auffaffung erinnernde prächtige »Fifcherfamilie am Seeftrande«
in Grosvenor Houfe zu London, das »Mädchen beim Schweinefüttern« beim
Lord Carlisle, das fchöne, warme »Bauernhaus unter Bäumen mit Kindern
auf den Stufen« beim Lord Northbrook dafelbft, das kräftige klare Bild
des »Landvolks vor einem Haufe« im Belvoir Caftle und das ftark nach-
gedunkelte Schäferftück in Petworth. — Zu Gainsborough’s berühmteften E1^d-che
Landfchaften gehören ferner »der Marktkarren« in der National Gallery zu ^haften.
London (ein ähnliches Bild beim Lord Northwick), die beiden Landfchaften
mit den Viehtränken (Fig. 691) und die fchöne Sonnenuntergangs-Waldland-
fchaft in derfelben Sammlung, die »Hütte« in Grosvenor Houfe, die »Kühe
auf der Weide« in der Bridgewater Gallery und die ähnlichen, wahr und
warm anfprechenden Bilder zu Bowood, zu Petworth und im Belvoir Caftle.
Weniger bedeutend find feine Landfchaften in den öffentlichen Sammlungen
zu Oxford und Glasgow. Alle diefe Bilder zeugen von einer Unmittelbarkeit
1) Lord R. Gower: Die Schätze etc. I, Nr. 16.
Auge für die Natur und ihre Milderungsmittel noch oft — nicht aufgeflellt,
fondern gelöfl. — Zu feinen heften Bildern im Privatbefitze gehören ferner das
Doppelbildnifs »Mr. and Mrs. Hallet« bei Mr. Hilliard in Uxbridge, »Lady
Ligonier« beim Lord Rivers, das Bildnifs der Frau Jordan beim Lord North-
brook in London und Bildniffe, wie diejenigen der Herzogin von Cleveland,
der Herzogin von Beaufort, der Lady Wortley Montagne, der Gattin
Gainsborough’s und Benjamin Franklins, welche auf den Porträtausftellungen
im South Kenfington Mufeum Auffehen erregten. Wie hoch Gainsborough’s d2-elBndniffe
Bilder noch jetzt in England gefchätzt werden, beweifen die Preife, die für fie Gains-
11 i T"-- t i • i <-> . borough’s.
gezahlt werden, bür »die beiden Schweftern« (Lady Day und die Baroneffe
von Noailles) wurden im letzten Jahrzehnt 126000 Mark, für das Bildnifs der
Herzogin von Devonfhire aus der Sammlung Wynn-Ellis wurden 1876 fogar
202 000 Mark gezahlt. Das Bild, deffen Echtheit übrigens beftritten war, wurde
dem Käufer, der es öffentlich ausgeflellt hatte, bald darauf geflöhten und ift
nie wieder zum Vorfchein gekommen. Eine eigenhändige Skizze zu ihm be-
findet fich im Dover Houfe zu London l).
Gainsborough’s reife Landfchaften pflegen nicht unmittelbar vor der, Gains‘
0 1 ö borough s
Natur gemalt, fondern nach Zeichnungen oder aus der Erinnerung in Farbe fcGa”tde'n
gefetzt zu fein. Man wirft ihnen die Eintönigkeit der Bäume, deren Arten
man nicht unterfcheiden könne, und überhaupt einen Mangel an Individualifirung ihre Art.
im Einzelnen vor. Das hindert aber nicht, dafs fie im Ganzen aufserordentlich
wahre, fchlicht und zugleich poetifch aufgefafste Spiegelbilder der üppigen,
baumreichen, reich von Vieh und Menfchen belebten Landfchaften Südenglands
find. Das Sonnenlicht fpielt auf manchen von ihnen eine ähnliche Rolle, wie
auf denjenigen Cuyp’s oder Hobbema’s. Ihre oft allzubraune Glutfarbe pflegt
die Wirkung eines fchweren, nachgedunkelten Firniffes zu fein. Urfprünglich
waren fie heller und wahrer im Luftton. Alles in Allem genommen bleiben
fie die bahnbrechenden Werke der neueren realiftifchen Landfchaftsmalerei
Englands. Als hauptfächlichfle der ländlichen Sittenbilder, welche den Ueber- Sittenbilder,
gang zu Gainsborough’s eigentlichen Landfchaften bilden, nennen wir die
»Rustic children« (Dorfkinder) in der National Gallery zu London, die an
Rembrandt’fche Auffaffung erinnernde prächtige »Fifcherfamilie am Seeftrande«
in Grosvenor Houfe zu London, das »Mädchen beim Schweinefüttern« beim
Lord Carlisle, das fchöne, warme »Bauernhaus unter Bäumen mit Kindern
auf den Stufen« beim Lord Northbrook dafelbft, das kräftige klare Bild
des »Landvolks vor einem Haufe« im Belvoir Caftle und das ftark nach-
gedunkelte Schäferftück in Petworth. — Zu Gainsborough’s berühmteften E1^d-che
Landfchaften gehören ferner »der Marktkarren« in der National Gallery zu ^haften.
London (ein ähnliches Bild beim Lord Northwick), die beiden Landfchaften
mit den Viehtränken (Fig. 691) und die fchöne Sonnenuntergangs-Waldland-
fchaft in derfelben Sammlung, die »Hütte« in Grosvenor Houfe, die »Kühe
auf der Weide« in der Bridgewater Gallery und die ähnlichen, wahr und
warm anfprechenden Bilder zu Bowood, zu Petworth und im Belvoir Caftle.
Weniger bedeutend find feine Landfchaften in den öffentlichen Sammlungen
zu Oxford und Glasgow. Alle diefe Bilder zeugen von einer Unmittelbarkeit
1) Lord R. Gower: Die Schätze etc. I, Nr. 16.