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In dieser „Vollständigen Geschichte“ schildert Reb-
mann seine ganze publizistische Tätigkeit in Deutschland
und wiederholt seine Anklagen gegen die Ungerechtigkeit
und Willkür der deutschen Fürsten. Bedeutsamer ist das
Vorwort, in dem Rebmann seine Meinung äussert, warum
in Deuschland keine Revolution zum Durchbruche gekom-
men sei. Hier zeigt Rebmann gute Kenntnisse, wie richtige
Beurteilung der deutschen Zustände, deren Verschiedenheit
von den Verhältnissen in Frankreich er klar zu legen weiss.
„In Frankreich wären nur zwei Parteien, welche die
Hauptinteressen der ganzen Bevölkerung verträten: erstens
die Partei des ancien regime, welche die Interessen des
Hofs, der Geistlichkeit und des Adels verteidigte und zwei-
tens die revolutionäre Partei, welche die Interessen des
Bürgertums und des Volkes verträte. In Deutschland hin-
gegen 300 kleine Höfchen, zweierlei Religionen und statt
einer gleich leidenden Nation mehrere ungleichartige, durch
Religion, Sitten, Regierungsformen getrennte, hie und da
ganz leidlich regierte Völker, die nie gleichen Schritt halten
könnten.“
Rebmann findet, dass diese von ihm geschilderten deut-
schen Verhältnisse, der deutsche Partikularismus, das leid-
liche Regiment einiger deutscher Fürsten, „die Verschieden-
heit der Interessen der einzelnen Natiönchen, aus welchen
das deutsche Reich besteht“, nicht die einzigen Ursachen
wären, die den Ausbruch einer allgemeinen Revolution in
Deutschland verhinderten. Rebmann nennt noch verschie-
dene andere, wie die Rückständigkeit der geistigen Zustände
und politischen Gewohnheiten, — „die Unwissenheit der
Bevölkerung gab der politischen Verfinsterung und der
Willkür der Fürsten freien Spielraum.“ Auch die Eigen-
arten des deutschen Nationalcharakters — das zähe Fest-
halten der Deutschen an dem Bestehenden und eine gewisse
passive Geduld des deutschen Volkes hebt Rebmann als
Gründe der langsamen Verbreitung der neuen Ideen in
Deutschland hervor.1) „Es liegt in der Natur des kalten
1) Perthes (Das deutsche Staatsleben vor der Revolution. 1845.
S. 202) spricht von der „vis inertiae“ des deutschen Volkes.
In dieser „Vollständigen Geschichte“ schildert Reb-
mann seine ganze publizistische Tätigkeit in Deutschland
und wiederholt seine Anklagen gegen die Ungerechtigkeit
und Willkür der deutschen Fürsten. Bedeutsamer ist das
Vorwort, in dem Rebmann seine Meinung äussert, warum
in Deuschland keine Revolution zum Durchbruche gekom-
men sei. Hier zeigt Rebmann gute Kenntnisse, wie richtige
Beurteilung der deutschen Zustände, deren Verschiedenheit
von den Verhältnissen in Frankreich er klar zu legen weiss.
„In Frankreich wären nur zwei Parteien, welche die
Hauptinteressen der ganzen Bevölkerung verträten: erstens
die Partei des ancien regime, welche die Interessen des
Hofs, der Geistlichkeit und des Adels verteidigte und zwei-
tens die revolutionäre Partei, welche die Interessen des
Bürgertums und des Volkes verträte. In Deutschland hin-
gegen 300 kleine Höfchen, zweierlei Religionen und statt
einer gleich leidenden Nation mehrere ungleichartige, durch
Religion, Sitten, Regierungsformen getrennte, hie und da
ganz leidlich regierte Völker, die nie gleichen Schritt halten
könnten.“
Rebmann findet, dass diese von ihm geschilderten deut-
schen Verhältnisse, der deutsche Partikularismus, das leid-
liche Regiment einiger deutscher Fürsten, „die Verschieden-
heit der Interessen der einzelnen Natiönchen, aus welchen
das deutsche Reich besteht“, nicht die einzigen Ursachen
wären, die den Ausbruch einer allgemeinen Revolution in
Deutschland verhinderten. Rebmann nennt noch verschie-
dene andere, wie die Rückständigkeit der geistigen Zustände
und politischen Gewohnheiten, — „die Unwissenheit der
Bevölkerung gab der politischen Verfinsterung und der
Willkür der Fürsten freien Spielraum.“ Auch die Eigen-
arten des deutschen Nationalcharakters — das zähe Fest-
halten der Deutschen an dem Bestehenden und eine gewisse
passive Geduld des deutschen Volkes hebt Rebmann als
Gründe der langsamen Verbreitung der neuen Ideen in
Deutschland hervor.1) „Es liegt in der Natur des kalten
1) Perthes (Das deutsche Staatsleben vor der Revolution. 1845.
S. 202) spricht von der „vis inertiae“ des deutschen Volkes.