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IKONOGRAPHISCHER CHARAKTER DES CYPRISCHEN MOSAIKS UND STIL 553

(Kitium) in dem aller Wahrscheinlichkeit nach unter Basilius I. entstandenen Bau (S. 458)
das Apsismosaik größtenteils noch in vortrefflichem Zustande erhalten und ihm verdankt die-
ser wohl den Namen der von den Engeln gegründeten Kirche der „Allheiligen“ (Panagia
Angeloktistos). Die Darstellung (Abb. 480) steht damit im Einklange, wenn sie auch viel-
leicht erst nachträglich dazu Veranlassung gegeben hat.
Auf die im Typus der Hodegetria (Teil I, S. 296) auf edelsteingesclimücktem Schemel dastehende Jung-
frau mit dem segnenden und die Rotle haltenden Kinde tritt von links Michael mit ruhigem Schritt, von
rechts Gabriel in eiliger Bewegung zu. Beide führen das Zepter in der Linken und scheinen dem Knaben
die auf der Rechten ruhende, mit goldenem Kreuzchen geschmückte Weltkugel entgegenzutragen, wie das
ganz ähnlich auf einem palästinensischen Ampullenstempel vorkommt (Teil I, S. 341). Die erst vor
einigen Jahren von einer groben Übermalung befreiten Köpfe von Mutter und Kind geben schon das
völlig durchgebildete Ideal der mittelbyzantinischen Kunst in stilvoller Schönheit wieder. Michael und
Gabriel sind Kontrasttypen von lebendiger Charakteristik, dieser mit den an semitische Gesichtsbildung
erinnernden, scharf geschnittenen Zügen, dichten Brauen, dunklen Augen und welligem, rotblondem Haar,
jener von zarterer Hautfarbe, blauäugig, mit kurzem, lichtblondem Gelock. Sie stammen sichtlich von alt-
byzantinischen Vorbildern, wie wir sie aus den abgeschwächten Nachahmungen vom Triumphbogen von
S. Michele in Ravenna (S. 429) erschließen können, ab. Die mächtigen Flügel erinnern durch die dar-
über ausgestreuten Pfauenaugen an die biblischen Cherubim (Teil I, Abb. 276). Das cyprische Mosaik ver-
rät in diesen Zügen, in der ungestümen, vielleicht der Verkündigungsszene entlehnten Bewegung Gabriels so
wie in der noch unentwickelten repräsentativen Gesamtkomposition seinen unmittelbaren Zusammenhang mit
der Blüte der Monumentalmalerei des frühmacedonischen Zeitalters. Seine frühe Entstehungszeit bestätigt
die ungewöhnliche Verwendung silberner Nimben und lichter Gewänder für die Erzengel, des dunkelroten
Kopftuchs über der purpurnen Stola für die Gottesmutter und des Goldgewandes für das Kind. Der reich-
faltige Gewandstil wirkt in den malerischen Übergängen der Schattierung doch schon etwas trocken wie
auch die peinlich sorgfältige Modellierung des Antlitzes der Gottesmutter mit Hilfe grüner Schatten. Die
übrigen Köpfe hingegen sind in breitester Mache noch ganz impressionistisch gearbeitet und verschieden
abgetönt. Die oben um den Nimbus Marias verteilte altertümliche Namensbeischrift, ,,die heilige Maria“ er-
scheint für das 9. Jahrhundert ungewöhnlich, während ihr paläographischer Charakter sehr wohl zu dieser
Entstehungszeit paßt. Sie erklärt sich jedoch leicht durch die Annahme, daß das Mosaik nach einem alt-
christlichen Vorbilde, das sich damals noch auf Cypern erhalten hatte, möglicherweise einer alexandrinischen
Arbeit, für die sie gerade bezeichnend wäre, ausgeführt ist. Eine starke Stütze erhält dieser Schluß durch
die Buchstaben auf den Gewändern der Engel, welche wohl nur aus Mißverständnis hier dem Namens-
anfang der Dargestellten entsprechen.
Wenn aber die Komposition ihren bewegten Rhythmus und die Typen der Erzengel der
Nachbildung einer altchristlichen Vorlage verdankt, so hängt sie andrerseits unverkennbar
durch die Gestalt der Hodegetria sowohl ikonographisch wie stilistisch mit der Kunst ihres
Jahrhunderts eng zusammen. Begegnet uns doch dieser Typus als Vollgestalt in Byzanz
zum erstenmal auf dem Siegel des Patriarchen Photios und stimmt doch das rundliche Oval
des Kopfes ganz mit dem neuen Ideal der Gottesmutter, wie es uns Miniaturen des 9. und
10. Jahrhunderts zeigen (Abb. 455), zusammen. Die Standweise und die starke Streckung der
Gestalt aber entspricht noch dem Apsismosaik von Nicäa (Abb. 477) und der Orans in
der Kuppel der Agia Sophia von Saloniki (Abb. 478). Gleichwohl ist die künstlerische Auf-
fassung hier ganz anders gerichtet. Sie wird schon durch den klassizistischen Geschmack
der hauptstädtischen Kunst bestimmt, wenngleich sie sich noch ziemlich fernhält von einer
hieratisch strengen Stilisierung und eine feine Absiufung des Ausdrucks der drei Gestalten
erreicht. Die Zwiespältigkeit der byzantinischen Stilentwicklung tritt eben auch in zeitlich
nicht allzuweit voneinander entfernten Denkmälern des Monumentalstils zutage. Noch im
10. Jahrhundert mögen beide Richtungen eine Zeit lang neben einander hergegangen sein, wenn
wir aus den Denkmälern der Kleinkunst (s. Kap. VI) Riickschlüsse ziehen diirfen. Schließlich
ist aber, wie in der Miniaturmalerei, ein Ausgleich zwischen den antikisierenden Neigungen der
 
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