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BYZANTINISCHE MOSAIKZYKLEN IN SIZILIEN

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Sie greift über die Adria nach Triest hinüber, wo die Nordkirche der alten Doppelbasilika
von S. Giusto (Teil I, S. 243) im 12. Jahrhundert einen neuen Mosaikschmuck ihrer Apsiden
erhalten hat. In der mittleren thront die Gottesmutter, umgeben von den Erzengeln, das
Kind im alten Schema der Platytera mitten vor ihrer Brust emporhaltend. Der Stil dieses
Mosaiks steht ungefähr auf gleicher Stufe mit den Ikonen der Gottesmutter in Murano und
Torcello. Die Nebenapsiden enthalten die kraftvollen Gestalten des Petrus und Paulus. Noch
weiter reicht der Einfluß dieser Filiale byzantinischer Mosaikmalerei in Italien selbst. Aus
Venedig wurden noch durch Honorius III. (f 1227) Mosaizisten berufen, denen das Apsis-
mosaik der Paulsbasilika seine weitgehende Erneuerung nach mittelalterlicher Auffassung (Teil I,
S. 351) und die Technik in Rom ihre Wiederbelebung verdankt. Ebendaher mögen schon im
12. Jahrhundert auch die Meister gekommen sein, die in der Klosterkirche von Grottaferrata
die Komposition der Ausgießung des Heiligen Geistes ausgeführt haben, sehen doch die Apostel-
gestalten daselbst denen des Weltgerichtsbildes von Torcello ähnlich genug. Das Bildschema
aber weist auf das gleiche palästinensische Vorbild zurück wie das Pfingstbild der Nea Moni
(S. 563), d. h. wohl auf das altchristliche Apsismosaik der Zionkirche und scheint von diesem
sogar das Symbol des göttlichen Thrones in altertümlicher Ausgestaltung mit dem noch
erhaltenen Lamm übernommen zu haben.
Noch glänzender als in der Lagunenstadt, ja vielleicht als in Byzanz selbst entfaltet
sich die griechische Mosaikmalerei im 12. Jahrhundert in Sizilien. Zweihundert Jahre
sarazenischer Fremdherrschaft hatten dort die ältere byzantinische Kultur nicht zu entwurzeln
vermocht. Fand der Islam bei den neuen normannischen Landesherren weitherzigste Duldung,
so erfreute sich griechische Bildung, griechisches Mönchtum und griechischer Kult unter ihnen
der gleichen Förderung wie die lateinische Kirche. Bis in ihre Kirchenbauten hinein (S. 491)
spüren wir das Streben nach friedlichem Ausgleich der verschiedenen Volkselemente unter-
einander. Dem Norden entstammen die mächtigen Doppelturmfassaden, im lnnern aber
schließt sich mehrfach an ein Langhaus von basilikalem Aufbau ein dreischiffiger Chor an,
in dem wir Naos und Bema wiedererkennen, einmal, in der von Roger II. (1143) erbauten
Palastkapelle in Palermo, sogar durch die Kuppel gekrönt. Einen echt byzantinischen Zen-
tralbau (S. 491) weihte der Admiral Georgios von Antiochia — im Namen der „Martorana“
klingt noch sein Titel nach — der Gottesmutter. Zwei Mosaikbilder im Vorraum dieser
Kirche zeigen uns König Roger von Christus gekrönt und den Stifter der Gottesmutter zu
Füßen liegend, die stehend gleichsam die Stiftungsurkunde hält. Wie sollten die Künstler nicht
auch von Byzanz her den Normannenkönigen zuströmen, denen derselbe Feldherr Achaja zu
Füßen gelegt hatte und die selbst das byzantinische Kaiserkleid trugen. Sie haben den
Bau des Seehelden und den Chor der Capella Palatina fast gleichzeitig mit Festbildern der
orthodoxen Kirche — ihre Auswahl in der Martorana hebt die Hauptereignisse der Marien-
legende hervor — und Ikonen geschmückt. Nicht einmal die Etimasia fehlt in der Bogen-
leibung des Altarraums.
Neben der Geburt des Herrn dort, der Ausgießung des Heiligen Geistes hier erblicken wir in beiden
die Koimesis und die Verkündigung in derselben Auffassung wie in Torcello (Abb. 497), wenngleich in
der Martorana mit thronender Maria (Abb. 420) und ihr gegenüber die Darstellung, in der Kuppel aber
dort den von Engeln angebeteten, thronenden Pantokrator, hier sein Brustbild, von der Engelshierarchie,
Propheten und Evangelisten umgeben. An der Südwand des Chores ist hier das Leben des Herrn bis zum
Einzug in Jerusalem dargestellt, — die auf der Gegenseite vorauszusetzenden Passionsbilder sind zerstört.
Erst unter Wilhelm I. (|1168) mögen die Mosaiken des Langhauses vollendet worden sein, an denen wohl
schon einheimische Hilfskräfte mitgearbeitet haben. Sie schildern auf der Südseite, am Triumphbogen be-
 
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