Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wundram, Manfred [Hrsg.]; Ghiberti, Lorenzo [Ill.]
(Band 88): Lorenzo Ghiberti - Paradiestür — Stuttgart: Reclam, 1963

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.63632#0016
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
überwiegenden Teil der Figurengruppen zusammenzufas-
sen beginnen, entsprechen der Rolle des Palastes im vor-
angehenden Relief. Wie dort dominieren die vollplasti-
schen Gestalten des Vordergrundes, wie dort sind die
Größenverhältnisse der Figuren und ihrer Umgebung
nicht vollkommen gegeneinander ausgewogen: Die Land-
schaft läßt uns größere Entfernungen vermuten als die
Figurenperspektive.
Gleichwohl scheint Ghiberti schon zu diesem Zeitpunkt
Konsequenzen aus seinen Erfahrungen mit dem ersten
Relief gezogen zu haben: Die einzelnen Szenen sind
gleichmäßiger im Raum verteilt, ja gerade die beiden
Höhepunkte der Erzählung — Opfer und Brudermord —
werden vom vorderen Bildrand abgerückt, zugleich aber
stärker hervorgehoben als die bildeinwärts stehenden
Figurengruppen im Jacob-Esau-Rellef. Auf diese Weise
schafft Ghiberti einen ersten Ausgleich für das Überge-
wicht des plastisch so kräftig akzentuierten Vordergrun-
des. Dem entspricht es nur, wenn die Übergänge vom
Vorder- zum Mittel- und von diesem zum Hintergrund
weniger sprunghaft sind: Die Figuren des Brudermordes
und der Hirtenknabe vermitteln in Maßstab und Model-
lierung zwischen den Gestalten in Vorder- und Hinter-
grund, ohne daß nun so jähe Kontraste entständen wie
im Jacob-Esau-Relief.
Bewundernswert ist auch in diesem Bildfeld die liebe-
volle Behandlung des Details — man beachte nur den
Hain im Zentrum oder die in üppig sprießendes Busch-
werk eingefügte Herde Abels —, nicht weniger bewun-
dernswert der Reichtum der erzählerischen Ausdrucks-
mittel im Nebeneinander von idyllischer Hirtenszene und
dramatisch zugespitztem Brudermord.
Zu den Höhepunkten innerhalb der Tür zählt zweifel-
los die Darstellung des_Paradieses. (Abb. 4), die die Er-
schaffung des ersten Menschenpaares, den Sündenfall und
die Vertreibung umschließt. Wie bei kaum einem anderen
Thema konnte Ghiberti hier seine ureigensten Fähigkei-
ten entfalten: Ist in den Chören schwebender Engel seine
Vorliebe für melodisch geschwungene Figuren unmittel-
bar motiviert, so zeigen die Aktfiguren — und unter

14
 
Annotationen