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Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst / Korrespondenzblatt — 3.1884

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Nr. 5 (1. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37256#0033
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Boden, teils mit dem Sondiereisen so ein-
gehend wie möglich untersucht: es wurde
fast von Haus zu Haus Umfrage gehalten,
und jede Angabe über etwaige Funde und
die Untergrundbeschaffenheit bei Anlage von
Kellern, «Tauchegruben, Fundamentgrabun-
gen geprüft. Trotz aller aufgewandten
Mühe konnten jedoch, obgleich fast überall
bis zu einer gewissen Tiefe aufgefüllter
Boden mit Bauschutt konstatiert und viel-
fach auch einzelne römische Scherbenfrag-
mente, zuweilen neben Spuren verschollener
jüngerer Bauveränderungen, angetroffen
wurden, bis jetzt leider keine Anhaltspunkte
für die Lage des Kastelles ermittelt wer-
den. Die Pflasterung der in Frage kom-
menden Hofraithen, sowie die schon vor-
geschrittene Bestellung der Gärtchen trat
zwar mehrfach der wünschenswerten Aus-
dehnung und Gründlichkeit der Terrain-
untersuchung hindernd in den Weg; aber
gleichwohl schien nach den bisherigen Er-
gebnissen die Hoffnung, auf diesem Wege
eine Spur zu finden, aufgegeben, und die
Entdeckung einer solchen künftigem glück-
lichem Zufall, oder dem durch die stattge-
habten Ausgrabungen angeregten Auftauchen
alter Erinnerungen und Traditionen über
entsprechende Vorgänge und Veränderun-
gen in den fraglichen Quartieren anheim-
gestellt werden zu müssen.
Die bezeichneten Untersuchungen und
Umfragen ergaben übrigens, dass der Boden
des heutigen Niedernberg in weit grösse-
rem Umfang, als meine früheren Unter-
suchungen constatiert hatten, römische Al-
tertümer enthält. Hatte es früher geschienen,
dass die römische Ansiedelung sich wesent-
lich auf den südwestlichen Teil des Dorfes
und die Umgebung des südwestlich vor der
Ringmauer liegenden Kirchhofes bis zum
neuen Schulhause hin erstrecke, so fand
ich jetzt (nordöstlich) in verschiedenen
Gärten längs dem Maine hin Terrasigillata-
scherbchen und erwarb eine römische Münze
(Mittelerz des Antoninus Pius), welche in
einem neuangelegten Garten in der Fahr-
gasse, also weit nördlich im Orte, ausge-
graben war.
Schliesslich möge nicht unerwähnt blei-
ben, dass nach sorgfältiger Vermessung ein
Grundplan des untersuchten Gebäudes auf-
genommen wurde, und dass die erwähnten
Ziegelstempel und sonstigen Fundstücke
einstweilen im Rathause zu Niedernberg
aufbewahrt sind.
Miltenberg. [C o n r a d y, Kreisrichter a. D.]
73. Hochstadt. [Germanische Gräber.] Schon
längst hatte eine zusammenhängende Gruppe
von Hügeln in dem Tannenwalde südlich
der von Wilhelmsbad nach Hochstadt füh-
renden Strasse die Aufmerksamkeit der
Hanauer Geschichtsfreunde auf sich gezogen.
Man vermutete, dass sie ebenso wie eine
andere Gruppe im Dörnigheimer Walde,

südlich der Linie der Hessischen Ludwigs-
bahn, aus germanischen Hügelgräbern be-
stünde. Diese Vermutung ist bezüglich der
Hochstädter Hügel durch die Ausgrabungen
der letzten Tage bestätigt worden.
Auf Kosten des Hanauer Bezirksvereins
und unter Leitung mehrerer seiner Vor-
standsmitglieder, die dabei in dankenswer-
tester Weise von Ilr. stud. phil. Kücli und
den Hrn. Bürgermeistern Weber von Hoch-
stadt und Geibel von Kesselstadt unterstützt
wurden, sind drei der 1 lügel untersucht wor-
den. In einem derselben, der, bereits sehr
abgeflacht, in sumpfigem Terrain liegt, fanden
sich auf dem gewachsenen Boden nur Reste
grober germanischer Thongefässe, die im-
merhin in Verbindung mit der Beschaffen-
heit des Bodens bewiesen, dass der Hügel
keine natürliche Anschwemmung, sondern
ein Grabhügel sei.
Weit resultatreicher war die Durch-
forschung der beiden andern, auch äusser-
licli weit besser erhaltenen Hügel. Von
ihnen liegt der eine am ü., der andere am
w. Ende der ganzen Gruppe. Im ersteren,
der noch 2 m hoch über dem Niveau des
umliegenden Waldbodens erhaben und von
kreisrunder Grundfläche ist, wurden in 1
bis 2 m Entfernung vom Mittelpunkt, nach
S. und W. von demselben, zerdrückte ger-
manische Gefässe verschiedener Grösse und
Form, getrennt von ihnen Asche nebst
Knochenresten und Holzkohle, und wieder-
um an anderen Stollen 4 Haarnadeln
aus Bronze mit radförmigen Köpfen, 2
Armringe (offenbar von einer Frau her-
rührend), durchbohrte Bernsteinstücke von
verschiedener Grösse und Glasperlen, die,
durch einen Bronzedraht verbunden, eine
Halskette gebildet hatten, und neben ihnen
die durch die Patina der Bronze grün-
gefärbten Reste eines menschlichen Ge-
bisses gefunden. Alle genannten Fundstücke
lagen nicht auf dem natürlichen Boden,
sondern ebenso wie mehrere Fragmente
eines Schmuckgegenstandes ans spiralförmig
gedrehtem Bronzedraht und kleinere Bron-
zestücke nur 70 cm tief unter der Ober-
fläche in dem aufgefüllten Boden. Im Cen-
trum des ganzen Hügels, wo wir auf dem
natürlichen Boden oder in einer mulden-
förmigen Vertiefung desselben das eigent-
liche Grab zu finden erwarteten, fanden
wir nichts
Das interessanteste Resultat ergab die
Durchforschung des dritten Hügels. So-
gleich bei der Anlage des ersten von S.
nach N. durch die Mitte gezogenen Ver-
suchsgrabens — eine ringförmige Ausgra-
bung nach dem System, welches Herr Oberst
von Cohausen empfiehlt, war ohne Abhol-
zung nicht möglich — zeigte sich, dass an
beiden Enden nahe dem Fusse des Hügels
sich auf dem natürlichen Boden regelrecht
aufgeführte Steinpackungen aus den Kalk-
 
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