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Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst / Korrespondenzblatt — 4.1885

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Nr. 6 (Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37341#0039
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Mauern und Thore. Da das Mauerwerk viel-
fach ausgebrochen und zerstört ist und die
Reste der Fundamente zum Teil 1—1V> m
tief im Boden stecken, so sind die Unter-
suchungen anfangs äusserst schwierig und
zeitraubend; dennoch wurden ausser vielen
Gebäuderesten und einer Mauer von über
2,50 m Br. schon 3 Strassen im Innern auf-
gedeckt. Die Steinerstrasse, welche viel-
leicht um die Stadt lief und im Norden in
gleicher Richtung weiterzog, scheint auch
in ihrer geraden Verlängerung die llaupt-
strasse der Stadt gebildet zu haben, und
es würde dies dem Thatbefund au vielen
andern Orten entsprechen.
Ausser diesen Strassen, welche von Nord
und Süd nach ihr führten, hatte sie auch
eine nach dem alten Rheinübergang am sog.
Holzweg und eine andere, welche in östl.
Richtung nach dem Odenwald führte. Die
letztere wurde von mir bereits vor 3 Jahren
in dem sog. Heidendamm, vor der ehema-
ligen rüin. Niederlassung „die Steinmauer“
aufgefunden. Ihre Richtung zeigte nach der
Heckenmühle südöstl. von Gernsheim, wo
ich jedoch, trotz sorgfältigen Nachfragens,
nichts von röm. Fundobjekten hören konnte.
Während meiner letzten Anwesenheit sollte
ich erst erfahren, dass da, wo sie auf die
jetzt entdeckte römische Niederlassung traf,
einst mächtiges, 25 m langes u. 20 m breites
Mauerwerk stand, das im Jahre 1863 mit
Pulver gesprengt werden musste. Diese
Strasse wurde, etwa 2l!-i Kilom. von Gerns-
heim entfernt, von mir freigelegt. Sie be-
stand aus aufrecht gestellten, dicht anein-
ander gereihten Steinen, die mit einer zu-
sammengestampften Schicht von Kiesel und
Letten überdeckt waren. Die Strasse führt
südöstl. vom Plackenhof an einer von mir
gefundenen kleineren röm. Niederlassung
vorüber, von welcher aus eine Strasse in
nordwestlicher Richtung nach der Steiner-
strasse lief. Se. Kgl. Iioh. der Grossherzog
fand diese Strasse, welche sich stark ge-
wölbt inmitten der Äcker abhebt, auf dem
Wege nach Gernsheim; ich selbst traf sic
in der Nähe von Biebesheim. Sic bedarf
noch der näheren Untersuchung.
Und — der Name dieser Stadt? Dass es
nicht die sagenhafte Vorstadt Ofenfeld, son-
dern eine Römerstadt ist, das beweisen zahl-
reiche Fundstücke röm. Ursprungs, als ei-
serne Lanzen und Geräte, Pfeile, Gelasse von
Thon und aus terra sigillata, Gerätschaften
und Zierraten aus Bronze, Legions- und
Cohortenstempel, Münzen u. s. w. Alle diese
Gegenstände wurden von den Grundbesitzern
der Sammlung des hist. Vereins übergeben.
Was die Zeit der Errichtung und der
Zerstörung des Ortes betrifft, so werden die
Legious- und Cohortenstempel, sowie, ab-
gesehen von Inschriften, welche noch gefun-
den werden können, die Münzen darüber Auf-
schluss geben. Die bis jetzt gefundenen Stem-

pel sind: ein unvollständiger Legionsstempel
XII, dem jedenfalls noch eine I oder wahr-
scheinlicher eine II folgte, also Lei). XIIII
und 2 Cohortenstempel: Coh. lau. (lasorum?
die Jaser wohnten vonWarasdin bis Daru-
var, also von Kroatien bis Slavonien). Die
14. Legion war von 12—43 n. Chr. in Über-
germanien, ging dann nach Pannonien, kam
zwischen 70 u. 71 nach Obergermanien zu-
rück, wo sie bis 36 verblieb. In Oberger-
mauieii soll sie errichtet haben: das Stand-
lager in Mainz, die Befestigung in Kastei,
das Kastell in Wiesbaden und die Saalburg
bei Homburg. Die Stempel würden also in
die Zeit von 70—96 verweisen, die Münzen
von Nero ab bis Trajan in eben diese
Zeit; dies können für erst nur Mutmassuu-
gen sein. — Die Untersuchungen ergaben,
dass Teile des Ortes oder vielleicht gar die
ganze Niederlassung einst durch Feuer zer-
stört und dann wieder aufgebaut wurden,
denn einzelne der aufgedeckten Mauern stan-
den auf Brandschutt und Metallschlacken.
Merkwürdig bleibt es, dass eine so be-
deutende Römerstätte bis jetzt der Kennt-
nis der Forscher entgangen ist. Nur Dahl,
welcher lange in Gernsheim lebte, erwähnt
das röm. Bad am Winkelbachgraben und
bezieht sich dabei, so weit ich mich ent-
sinnen kann, auf Wenck.
(Fricdr. Kotier in Darms. Ztg.)
Frankfurt, im Mai. [Inschriftfragment aus 65.
Heddernheim.] Vor einigen Jahren wurde bei
Heddernheim das 220 mm lange, 188 mm
holte, 60—80 mm dicke Bruchstück einer
römischen Inschrift aus rotem Sandstein
gefunden, das schon mehrmals abgesehrie-
ben (u. A. von Herrn Prof. Zangemeister
für das Corpus), aber bisher meines Wis-
sens noch nicht gelesen und publiciert ist.
Durch Zufall neuerdings darauf zurückge-
führt, glaube ich eine wenigstens teilweise
Lesung desFragmentes vorschlagen zu dürfen.
Der Wortlaut des Erhaltenen ist folgender:


Die Buchstaben sind durchschnittlich nur
25 mm hoch, aber wenig gleichmässig und
sehr flüchtig eingehauen (M ist z. B. nur
 
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