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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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Schmarsow, August; Ehlotzky, Fritz: Die reine Form in der Ornamentik aller Künste, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0005
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I.
Die reine Form in der Ornamentik aller Künste.

Von
August Schmarsow und Fritz Ehlotzky.

I. Mimik.

Bei unserem ersten Versuch mit dem metrischen Schema der al-
käischen Strophe haben wir uns ganz auf das Formale beschränkt, und
nach dem Inhalt nur soweit hingedeutet, als Zahl und Abfolge der
Versfüße, oder der Bewegungscharakter dieser selbst und die Zusammen-
ordnung solcher verschiedenen Wesens, schon an sich die Möglichkeit
entsprechenden Inhalts mitbringen mochten. Jetzt wollen wir zur
Gegenprobe einmal umgekehrt verfahren, indem wir von dem Inhalt
ausgehen, und von solcher Voraussetzung aus die Psychogenese der
Form verfolgen. Zu diesem Vorhaben wählen wir die Mimik des
Menschen, unter der wir nicht etwa das Mienenspiel des Gesichts allein
verstehen, sondern die Ausdrucksbewegungen des ganzen Körpers in
ihrem Zusammenwirken mit begreifen, diese Einheit sogar als Haupt-
sache hinstellen; unter demselben Namen für das Gesamtgebiet um-
fassen wir sodann auch die darauf erwachsende Ausdruckskunst, —
beide jedoch ausschließlich in ihrer unvermischten Reinheit als stumme
Körperbewegung, ohne irgendwelche Verbindung mit der Lautsprache
oder der Musik, durch deren Hinzutreten sich sofort der Weg zu einer
Doppelkunst oder gar zu einem dreigliedrigen Bündnis (zwischen Mimik,
Musik und Poesie zugleich) eröffnen würde.

Gesetzt also den Fall, es sei eine beliebige, doch hinreichend
eigentümliche und in sich vollkräftige Gemütsverfassung vorhanden,
die — ob Freud oder Leid — dazu drängt, die innere Bewegung der
Menschenseele durch die Glieder des leiblichen Organismus hinströmen
zu lassen, so daß sie nach außen treten und anderen gleichorganisierten
Lebewesen sichtbar werden muß, mag nun der eigene Wille des Indi-
viduums, das uns als Beispiel dient, solche Äußerung nur geschehen
lassen, oder sie sogar beabsichtigen, oder mag er endlich im Gegenteil
überhaupt nicht dabei mitwirken, weil sie sich unbewußt und mit
elementarer Gewalt vollzieht, daß der Intellekt nicht einmal als passiver

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XVII. 1
 
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