Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

DOI Artikel:
Teuber, Eugen: Die Kunstphilosophie des Abbé Dubos
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0413
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE KUNSTPHILOSOPHIE DES ABBE DUBOS. 409

sie bekämpft. Er vermeidet es bewußt, wie fast alle Theoretiker der
Zeit, von einer irgendwie gearteten Definition des Schönen auszugehen.
Und wenn auch sein Prinzip wieder einseitig ist, so ist es doch nicht
so starr und unnachgiebig, wie man zunächst meinen möchte, und
gerade seine unscharfe, aber geschickte und feinfühlige Methode tastet
sich immer näher an das Wesen der Kunsterscheinungen heran und
läßt oft Erkenntnisse aufleuchten, die in überraschender Weise heutige
Probleme vorwegnehmen. Utitz bezeichnet in seiner Arbeit über Wilhelm
Heinse als den entscheidenden Mangel der Ästhetik des 18. Jahrhunderts,
daß ihr eine brauchbare empirische Psychologie fehlte. Gemeint ist
hier natürlich nicht etwa eine Psychologisierung der Ästhetik, sondern
die notwendige psychologische Unterbauung, die für ihre moderne
Entwicklung nötig war. Dubos ist in dieser Richtung schon ziemlich
weit vorgeschritten. Sein ganzes System ist ja zunächst auf psycho-
logische Durchdringung der Wirkung des Kunstwerkes und des Schaffens-
prozesses gerichtet. Allerdings kommen dann noch die grob-mechanisti-
schen Vorstellungen von den Gehirn Vorgängen, die er von Descartes
übernimmt, aber daneben erscheinen doch überall schon eigene Be-
obachtungen von großer Schärfe, namentlich solche über den Prozeß
der Aufnahme des Kunstwerkes, die schon die Ergebnisse einfachster
Reaktionsversuche vorwegzunehmen scheinen1), über die Einfühlung
von Bewegungen2), vor allem Gedanken über Sprachpsychologie3) und
eine systematische Einteilung der Gebärdensprache4) nach Prinzipien,
die unmittelbar an Wundts Völkerpsychologie gemahnen. Allerdings
prägt sich in dieser naiven Psychologie schon scharf die Tendenz zu
jener rationalistisch-materialistischen Grundanschauung aus, die ihr
weiterhin anhaftet, und an der diese Wissenschaft jetzt noch teilweise
krankt. Diese allgemeine Grundauffassung spiegelt sich auch in termino-
logischen Unklarheiten wieder, die dann im Einzelfalle erschwerend
auf die Untersuchung zurückwirken. Eine Sprache, die (übrigens bis
heute) für das >Gefühl« keinen anderen Terminus kennt als den Begriff
des »sentiment«, der zwischen Empfindung, Rührung und vernünftigem
Urteil schwankt, ist schwerlich das geeignete Instrument, um in die
feinere Struktur gerade der künstlerischen Sachverhalte einzudringen.
Dubos bemüht sich nicht, durch Prägung fester wissenschaftlicher
Begriffe diesem Mangel abzuhelfen, er liebt es gerade, denselben Begriff
mit vielen populären Worten zu umstellen, und andererseits ein Wort
allmählich durch viele Bedeutungen hindurchzuführen. Diese termino-

<) Refl. crit. I, S. 368.

*) Refl. crit. I, S. 417.

s) Refl. crit. I, Kap. 35.

<) Refl. crit. III, S. 239 ff.
 
Annotationen