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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Besprechungen.

Charles Baudelaire, Vom Wesen des Lachens. Übertragen von Wilhelm
Fränger. Mit 96 Abbildungen. Folio. 108 u. 32 S. Im Eugen Rentsch Ver-
lag, Erlenbach-Zürich.

Daß Edgar Allan Poe ein Kunstphilosoph von Rang war, habe ich vor 20 Jahren
entdeckt, daß Baudelaire über ästhetische Fragen eigentümlich und fesselnd zu
schreiben verstand, ist mir erst durch dieses Buch bekannt geworden. So etwa
läuft der Gedankengang: Christus, der Fleisch gewordene Logos, hat niemals ge-
lacht, und ein weiser Mann lacht wohl, doch nicht ohne Zittern. Denn Lachen und
Weinen sind im Paradies der Seligkeiten nicht zu finden; sie sind gleicherweise
Kinder der Mühsal. Unter dem Gesichtspunkt des unbedingten Wissens entfällt das
Komische. Der dem Niesen vergleichbare Krampf des Lachens stammt aus dem
echt menschlichen Bewußtsein eigener Überlegenheit. Denkt man sich den Menschen
aus der Schöpfung getilgt, so verschwindet das Komische aus ihr, denn die Tiere
wähnen sich den Pflanzen so wenig überlegen wie die Pflanzen den Tieren. —
Nach solchen allgemeinen Feststellungen kommt Baudelaire zur Unterscheidung
zwischen der gewöhnlichen, gegenständlich deutbaren Inhaltskomik und der gro-
tesken, absoluten Komik, bei der das Überlegenheitsgefühl nicht mehr dem Men-
schen, sondern der Natur gilt. In Frankreich, »dem Land des klaren Denkens«,
herrscht die inhaltliche Komik; selbst Rabelais »bewahrt inmitten seiner ungeheuer-
lichsten Phantasien etwas von Nutzhaftem und Vernunftgemäßem«:. Demgegenüber
heißt es an einer Stelle: »Die steile Geistigkeit der absoluten Komik macht sie zum
Erbteil überlegener Künstler«, und an einer anderen Stelle: »Das träumerische
Deutschland wird uns vorzügliche Proben der absoluten Komik bieten. Dort ist
alles schwer, tief und schwärmerisch.« Die Beispiele werden hauptsächlich den
Werken E. T. A. Hoffmanns entnommen. — Es folgen viele kurze Aufsätze über
französische und englische Karikaturisten. Sie sind reich an kulturgeschichtlich wert"
vollen und menschlich feinen Bemerkungen, schildern auch inhaltlich die Zeich-
nungen recht gut, bleiben aber in der Auswertung des rein Graphischen erheblich
hinter heutigen Ansprüchen zurück. Manche von den beschriebenen Zeichnungen
sind beigegeben, andere fehlen, wiederum andere sind nach freiem Ermessen des
Herausgebers hinzugefügt. Für die Übersetzung sowie für die Ausstattung ist kein
Wort des Lobes zu hoch.

Berlin. Max Dessoir.

Richard Müller-Freienfels, Irrationalismus. Umrisse einer Erkenntnis-
lehre. Meiner, Leipzig 1922. 300 S.
Unter allen vernunftwidrigen Fiktionen die vernunftwidrigste bleibt doch: daß
irgend ein Sein, geschweige das Weltganze als vernunfthaft sich begreifen lasse. Denn
was sich der Vernunft entspinnt, sind ja allemal nur leere Möglichkeiten: die
Geometrie ist durch und durch vernunftgeboren, das Hier und Dort dagegen, die tat-
 
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