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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Ichheiser, Gustav: Die ästhetische Geltung: eine kritische Untersuchung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0368

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Bemerkungen.

Die ästhetische Geltung.

Eine kritische Untersuchung.

Von

Gustav Ich heiser.

Es ist seit jeher das Schicksal der Ästhetik gewesen, mit der Logik und deren
Aufgaben und Problemen — verwechselt zu werden. Auch Kants mächtiger Versuch,
die ästhetische Sphäre als eine gesonderte zu erweisen, sie von der logischen so-
wohl wie der ethischen abzugrenzen, scheiterte; denn durch die Einführung des Be-
griffs »Zweckmäßigkeit ohne Zweck«, womit diejenigen Inhalte als ästhetisch aner-
kannt wurden, welche sich der logischen Gestaltung überhaupt, dem begrifflichen
Stiften der Einheit in der Mannigfaltigkeit, durch ihre formale Gegebenheitsweise
gefügig erweisen, mit diesem Begriff also wurde die Logisierung des Ästhetischen
in verschleierter Form wieder eingeführt. Die Schönheit blieb zuletzt die unklar und
verworren, sinnlich vorausgenommene Wahrheit. Kant ist somit nicht der Zerstörer,
sondern der Vollender der rationalistischen Ästhetik: die bei Baumgarten und Sulzer
schlummernden Gedanken erklingen in der Kritik der Urteilskraft zum vollen Be-
wußtsein erwacht, durch die transzendentale Methode unermeßlich tiefer begründet,
durch die englische psychologische Ästhetik bereichert, in einer mächtig systema-
tischen Symphonie.

Diesem verhängnisvollen Schicksal der Ästhetik geschichtlich nachzuspüren und
seine Motive erkenntnispsychologisch zu begreifen zu suchen, ist nicht die Aufgabe
vorliegender Abhandlung. Was wir vielmehr beabsichtigen, ist, uns unter einem be-
stimmten, festumgrenzten Gesichtspunkt mit einer Anschauung auseinanderzusetzen,
die in der Ästhetik der Gegenwart so verbreitet ist, daß man sie wohl — so ge-
fährlich auch solche Schlagworte sein mögen — als die »herrschende« zu bezeich-
nen hat.

Unter den verschiedenen prinzipiellen Problemen die das Interesse der wissen-
schaftlichen Ästhetik der Gegenwart beherrschen gibt es wohl wenige, die an Ge-
wicht mit jenem Fragenkomplex sich messen könnten, den man unter dem Namen
Objektivismus oder Subjektivismus zusammenzufassen pflegt. Und wiederum, wie
bereits oben angedeutet, wird es nicht unsere Aufgabe sein, diese Probleme in ihrer
ganzen Breite aufzurollen, so reizvoll und belehrend solches Unternehmen auch wäre.
Vielmehr greifen wir, unserer Absicht gemäß, nur eine einzelne Frage heraus, die
uns aus noch auseinanderzusetzenden Gründen besonders wesentlich erscheint: wir
suchen über das Geltungsproblem ästhetischer Gebilde ins klare zu kommen. Dabei
sind unsere diesbezüglichen Erwägungen von vornherein von der Absicht geleitet,
den Nachweis zu erbringen, daß in der Geltungsfrage der Objektivismus in keiner
Weise im Rechte sein kann, und daß wir es hier wieder einmal mit jenem Ver-
hängnis der Ästhetik zu tun haben, von der an Durchbildung und Solidität so un-
 
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