ZUR SYSTEMATIK DER KÜNSTLERISCHEN PROBLEME. 459
Formulierung der kategorialen Antithese geeignet; denn es übergreift
alle einzelnen Regionen, bleibt aber auf jede von ihnen anwendbar.
Die optischen Werte z. B. sind sekundäre Qualitäten«, die haptischen
(als Formenwerte) »primäre«; man darf die ersteren daher als »sub-
jektivistisch«, die letzteren als »objektivistisch^ bezeichnen. Ebenso
sind die anschaulichen Tiefenwerte nur Phänomene eines subjektiven
Bewußtseins, während die Ebenenrelationen sich mathematisch fest-
legen lassen. Schließlich wird man distinkte Einzelheiten als deter-
minierte und daher objektive Bestimmungen gelten lassen, eine amorphe
Einheit dagegen als bloß subjektives Phänomen bezeichnen dürfen l).
— Wo aber hat die Subjekt-Objekt-Antithese, wie Riegl sie bringt,
ihren Ursprung? Erst durch eine systematische Ableitung kann sie als
spezifisch künstlerische Polarität beglaubigt werden. — Hier be-
ginnen jedoch grundsätzliche Schwierigkeiten.
Zunächst wird man an der umfassenden Bedeutung der Antithese
Anstoß nehmen. Der Gegensatz des Subjektiven und Objektiven spielt
doch (ganz abgesehen von den wechselnden Ausdeutungen, die er in
der Geschichte der Philosophie gefunden hat) auf den verschiedensten
Geistesgebieten eine Rolle; er durchzieht die Fragen der Erkenntnis
ebenso wie die Theorien der Ethik, und gewiß wird er sich auch auf
künstlerische Gestaltungen anwenden lassen. Aber warum sollte er
etwas spezifisch Künstlerisches sein? Spricht nicht seine vielfältige
Anwendbarkeit dafür, daß wir es hier mit einer ganz allgemeinen Be-
trachtungsweise zu tun haben, für welche die Kunst nur ein Objekt
unter anderen ist-)?
Es kommt hinzu, daß die Subjekt-Objekt-Beziehung, wie Riegl sie
faßt, erkenntnistheoretisch bedenklich ist. Nur von dem psychophy-
sischen Subjekt kann man sagen, daß es — als Träger besonderer
Eigenschaften — den Objekten räumlich .gegenüberstehe«. Das psy-
chophysische Subjekt ist aber ein Faktum innerhalb der realen Welt.
Wer also den Gegensatz von Subjekt und Objekt in dieser dinglichen
Form zur Grundlage nimmt, geht von empirischen Voraussetzungen
aus und nicht von apriorischen. Und wenn er Bestimmungen da-
') Gerade dem Fall der amorphen Einheit hat Riegl ein besonderes Interesse
zugewandt. Hier hat er seinen Begriff des Subjektivismus auch wohl am glück-
lichsten demonstriert. Vgl. die Abhandlung über das »Holländische Gruppenporträt«,
wo er nicht müde wird, darauf hinzuweisen, daß bei der spezifisch holländischen
Kompositionsform das »verbindende Element« im »betrachtenden Subjekt« liege.
2) Ich lasse es dahingestellt, ob Riegl in dieser umfassenden Bedeutung der
Antithese nicht gerade ihren Vorzug sah. In Verbindung gebracht mit gewissen
Grundtypen psychischen Verhaltens (Wille, Gefühl, Aufmerksamkeit) ermöglichte sie
es ihm, die künstlerischen Erscheinungen mit religiösen und ethischen in Parallele
zu setzen.
Formulierung der kategorialen Antithese geeignet; denn es übergreift
alle einzelnen Regionen, bleibt aber auf jede von ihnen anwendbar.
Die optischen Werte z. B. sind sekundäre Qualitäten«, die haptischen
(als Formenwerte) »primäre«; man darf die ersteren daher als »sub-
jektivistisch«, die letzteren als »objektivistisch^ bezeichnen. Ebenso
sind die anschaulichen Tiefenwerte nur Phänomene eines subjektiven
Bewußtseins, während die Ebenenrelationen sich mathematisch fest-
legen lassen. Schließlich wird man distinkte Einzelheiten als deter-
minierte und daher objektive Bestimmungen gelten lassen, eine amorphe
Einheit dagegen als bloß subjektives Phänomen bezeichnen dürfen l).
— Wo aber hat die Subjekt-Objekt-Antithese, wie Riegl sie bringt,
ihren Ursprung? Erst durch eine systematische Ableitung kann sie als
spezifisch künstlerische Polarität beglaubigt werden. — Hier be-
ginnen jedoch grundsätzliche Schwierigkeiten.
Zunächst wird man an der umfassenden Bedeutung der Antithese
Anstoß nehmen. Der Gegensatz des Subjektiven und Objektiven spielt
doch (ganz abgesehen von den wechselnden Ausdeutungen, die er in
der Geschichte der Philosophie gefunden hat) auf den verschiedensten
Geistesgebieten eine Rolle; er durchzieht die Fragen der Erkenntnis
ebenso wie die Theorien der Ethik, und gewiß wird er sich auch auf
künstlerische Gestaltungen anwenden lassen. Aber warum sollte er
etwas spezifisch Künstlerisches sein? Spricht nicht seine vielfältige
Anwendbarkeit dafür, daß wir es hier mit einer ganz allgemeinen Be-
trachtungsweise zu tun haben, für welche die Kunst nur ein Objekt
unter anderen ist-)?
Es kommt hinzu, daß die Subjekt-Objekt-Beziehung, wie Riegl sie
faßt, erkenntnistheoretisch bedenklich ist. Nur von dem psychophy-
sischen Subjekt kann man sagen, daß es — als Träger besonderer
Eigenschaften — den Objekten räumlich .gegenüberstehe«. Das psy-
chophysische Subjekt ist aber ein Faktum innerhalb der realen Welt.
Wer also den Gegensatz von Subjekt und Objekt in dieser dinglichen
Form zur Grundlage nimmt, geht von empirischen Voraussetzungen
aus und nicht von apriorischen. Und wenn er Bestimmungen da-
') Gerade dem Fall der amorphen Einheit hat Riegl ein besonderes Interesse
zugewandt. Hier hat er seinen Begriff des Subjektivismus auch wohl am glück-
lichsten demonstriert. Vgl. die Abhandlung über das »Holländische Gruppenporträt«,
wo er nicht müde wird, darauf hinzuweisen, daß bei der spezifisch holländischen
Kompositionsform das »verbindende Element« im »betrachtenden Subjekt« liege.
2) Ich lasse es dahingestellt, ob Riegl in dieser umfassenden Bedeutung der
Antithese nicht gerade ihren Vorzug sah. In Verbindung gebracht mit gewissen
Grundtypen psychischen Verhaltens (Wille, Gefühl, Aufmerksamkeit) ermöglichte sie
es ihm, die künstlerischen Erscheinungen mit religiösen und ethischen in Parallele
zu setzen.