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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0130

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126 BESPRECHUNGEN.

Schwebenden, des Dahingestelltseinlassens« u. s. w. »In den gegenständlichen Ge-
fühlen sind haufenweise Strebungen selbst der allerschärfsten Art vorhanden; gleich-
wohl aber sind diese Begehrungen und Willensakte von meinem persönlichen Be-
gehren und Wollen, von meinem praktischen Ich himmelweit entfernt; es besteht
also auch hier jene behauptete Willenlosigkeit.« Die Willenlosigkeit ist darum das
Ergebnis trotz alledem, und das »praktische Ich ist ausgehängt«.

In gleicher Weise finden wir auch das Problem des Ethischen innerhalb des
Ästhetischen behandelt. Es »ist zu erwägen, daß eine Verunreinigung der künstle-
rischen Stimmung vielleicht aus anderen Gründen geradezu wünschenswert sein
könnte. Vielleicht liegt es z. B. im Interesse einer Zeit, daß der Künstler zugleich
zum sittlichen Reformator werde. Dann wäre die Verquickung ästhetischer und sitt-
licher Interessen, so sehr darin eine Sünde wider die rein künstlerischen Forde-
rungen läge, doch von kulturgeschichtlichem Gesichtspunkte aus vielleicht geradezu
ein Segen ... Das Schlagwort »l'art pour Part« birgt die größten Vorurteile in sich.
Die Kunst darf als Mittel für andere wesenhafte Kulturinteressen verwendet werden,
auch wenn sie dadurch in ihrer Reinheit getrübt wird. Wer dies verbieten will,
treibt mit der Kunst Götzendienst.« (S. 515.)

Also: um mit ihr keinen Götzendienst zu treiben, um ihren kulturellen Segen zu
erschließen, muß man sie in ihrer Reinheit trüben, sich an ihr versündigen? Wäre
es nicht vorzuziehen, man versuchte in den angeblichen Flecken auf ihrem Kleide
ein dazu gehöriges, charakteristisches Muster zu erkennen, in der angeblichen »Trü-
bung« eine natürliche Farbe? Ich glaube, wenn man noch näher darauf einginge,
würde das gelingen. Wenn man z. B., statt »Strebungen« immer im einzelnen zu
konstatieren, einen »Willen« als solchen, nicht im metaphysischen, sondern im psycho-
logischen und rein innen-empirischen Sinne, als eine einheitliche Grundlage des
Psychischen in toto, als Grund und Ursache von Ästhetischem, Ethischem und Er-
kenntnismäßigem anerkennen wollte, würde man auch zu einer Einheit der Tat-
sachen, zu einer Verbindung der nur anscheinend heterogenen Elemente kommen,
ohne dem Sondercharakter der Gebiete zu nahe zu treten. Was in früheren Zeiten
einfach als These galt und darum ebenso oft auch bestritten werden konnte, das
dürfte für die psychologische Ästhetik nun erst recht eine dankenswerte Aufgabe
sein. Alsdann würde aber auch die »reine Beschaulichkeit« nicht mehr so über-
wiegend in der Ästhetik betont werden, mit ihrer Konsequenz von »Willenlosigkeit«
und weiterem.

Nach Seite dieser »reinen Beschaulichkeit« neigt sich die Tendenz Volkelts meiner
Ansicht nach, trotz aller vor- und umsichtigen Behandlung, viel zu sehr hin, und ich
finde für diese Tendenz auch darin einen Grund, daß für die Untersuchungen und
Beobachtungen, aus denen sein Buch erwachsen ist, die ästhetische Rezeption fast
ausschließlich zu Grunde gelegt ist. Würde die psychologische Analyse auch die
künstlerische Produktion ausgiebiger mit in Betracht ziehen — trotz der hier auf-
tauchenden Schwierigkeiten halte ich das für möglich —, so würde wohl manches
eine etwas andere Färbung bekommen.

Von dem übrigen reichen Inhalt des Buches kann ich nur noch zweierlei er-
wähnen, und auch nur mit kurzem Hinweise: Die Lehre von den Gefühlen, die
Volkelt gibt, und die Normen, zu denen er als Ergebnis seiner Untersuchung kommt.
Die Analyse von den ästhetischen Gefühlen halte ich für den besten Teil des Buches,
hier finden sich Feinheiten der Analyse, denen volle Bewunderung zu zollen ist, des-
gleichen da, wo er speziell die »Einfühlung« behandelt, die er in »eigentliche« und
»symbolische« scheidet. Nur vermisse ich in dem reichen Kranz von Gefühlen, die
er auffindet, zergliedert und erklärt, das Wichtige der Spannung aufgeführt, das in
 
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