Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

DOI Artikel:
Segal, Jakob: Psychologische und normative Ästhetik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0005
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I.
Psychologische und normative Ästhetik.

Von
Jakob Segal.

1.

I. Jede Wissenschaft muß ihr eigenes Gebiet haben, um existieren
zu können. Dieses Gebiet muß von den anderen deutlich abgegrenzt
sein, sei es durch das Ziel, das die Existenzberechtigung des zu unter-
suchenden Gebietes bildet, sei es durch einen neuen, eigentümlichen
Gesichtspunkt, der durchgeführt werden soll, sei es endlich durch die
spezifischen, nur dem zu untersuchenden Gebiete eigenen, inhaltlichen
Merkmale. Wenn man nach dem Gebiete der Ästhetik fragt, so bildet
diese letzte Tatsache, nämlich die Existenz besonderer Inhalte, welche
von den anderen deutlich unterschieden sind, die Rechtfertigung der
Ästhetik als einer besonderen Wissenschaft. Denn für einen jeden
Menschen ist der wesentliche Unterschied zwischen der gewöhnlichen,
täglichen Wirklichkeit und der Welt des Ästhetischen unmittelbar ge-
geben. Mag die genaue Angabe der unterscheidenden Merkmale einem
»naiven« Menschen große Schwierigkeiten bereiten, der Unterschied
ist doch von vornherein in dem Erlebnis gegeben, er wird »gefühlt«.
In dieser Beziehung muß man zugeben, daß die Welt sich in zwei
ungleiche Teile zerlegen läßt — auf der einen Seite stehen die ver-
schiedensten Gegenstände und Ereignisse, die fast nichts miteinander
gemeinsam haben, wie z. B. das Ausüben einer Berufsarbeit, das sitt-
liche Handeln u. s. w., auf der anderen das Ästhetische. Jene sind
durch die Tatsache verbunden, daß sie alle der Welt der »realen«, täg-
lichen Wirklichkeit angehören. Wenn unsere Überlegung richtig ist,
dann muß die Ästhetik als eine besondere Wissenschaft anerkannt
werden und das »Schöne« muß ihren Gegenstand bilden. Damit ist
aber noch wenig gesagt. Das Schöne kann von verschiedenen Seiten
betrachtet werden. In der Kunst ist das Schöne immer ein Erzeugnis
menschlicher Intelligenz und künstlerischen Schaffensdranges, und ander-
seits ist es der Gegenstand unseres Genusses, unserer ästhetischen Be-
trachtung.

II. Was gehört nun dem eigentlichen Gebiet der Ästhetik an? Das

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. II. 1
 
Annotationen