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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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Simon, Karl: Seitenansicht und Vorderansicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0410
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XV.

Seitenansicht und Vorderansicht.

Von

Karl Simon.

Zwei Hauptansichten des Menschen sind der künstlerischen Dar-
stellung fähig, wenn er als Individualität kenntlich gemacht werden
soll: Seitenansicht und Vorderansicht, Profil und Face. Alles andere,
wie Halbprofil, leichte Drehungen des Gesichts nach links und rechts,
verlorenes Profil, sind nur Spielarten; die Rückansicht wird nur in
bestimmten Fällen, meist bei Karikaturen, verwendet werden. Beide
Ansichten gibt natürlich nur der Plastiker in vollrunden Werken, wenn
er nicht durch besondere Vorkehrungen es dem Beschauer unmöglich
macht, beide zu genießen. Im allgemeinen wird dieser sich Face und
Profil mit all ihren Abstufungen durch die Wahl verschiedener Stand-
punkte selbst herstellen können.

In der Malerei und im nicht zu hohen Relief muß der Künstler
sich für eine bestimmte Ansicht entscheiden; dem Beschauer wird
sein Standpunkt angewiesen. Malerei und Flachrelief haben in dieser
Beziehung ganz ähnliche Bedingungen.

Es ist klar, daß die Vorderansicht die vollständigere Darstellung, den
vollen Schein des Lebens gibt. Sie orientiert uns vollständig über den
Bau des ganzen Gesichts, sie läßt nichts von ihm im unklaren, gibt
den ganzen Mund, beide Augen (die unter sich ja irgendwie ver-
schieden, z. B. schielend, sein können), die ganze Ausdehnung der
Stirn u. s. w.

Es ist ebenso klar, daß bei der Faceansicht die Mittelteile" des Ge-
sichts am deutlichsten zur Darstellung kommen; die Teile links und
rechts in stetig abnehmendem Maße. Das wird besonders deutlich
bei den seitlich sitzenden Ohren. Von ihnen erscheint bei der Face-
ansicht nur ein Bruchstück der Ohrmuschel, und die oft so ungemein
charakteristische Ohrform bleibt undeutlich. Dafür ist dann die Profil-
ansicht die geeignetere. Und nicht nur dafür.

Für bestimmte Dinge läßt die Vorderansicht im Stich. Eine ge-
bogene Nase, ein zurück- oder vortretendes Kinn, das räumliche Ver-
hältnis des Kopfes zum Halse kann sie nur undeutlich wiedergeben.
 
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