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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0594
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5g0 BESPRECHUNGEN.

crozes. Sie fordert strenges, systematisches Lehren durch eine pädagogisch beson-
ders befähigte Persönlichkeit. Dieser Lehrer, Mann oder Frau, muß die Gesetze
des Rhythmus und der Musik ebenso beherrschen, wie die des gesamten mensch-
lichen Organismus. Er muß in der Physik gut zu Hause sein und mit der Ästhetik
auf bestem Fuße stehen und vor allen Dingen auch wissen, was er dem kindlichen
Fassungsvermögen zumuten und wie weit er in seinen Forderungen an die körper-
liche Leistungsfähigkeit des Einzelnen gehen darf, um nicht anstatt der Freude an
der Arbeit und des ersehnten Erfolges Mißmut und Abneigung heranzuzüchten.
Wäre es nicht ein gar so gefährlicher Rat, könnte man einfach sagen: macht es
wie Dalcroze selbst! Er beherrscht seinen Stoff, er begeistert, entzündet, reißt mit
sich fort, so daß scheinbar mühelos gelingt, was andere niemals zuwege bringen.
Dalcroze fordert, neben Einzelstudien mit jedem allein für bestimmte Zwecke,
Klassifizierung der Schüler nach Begabung und nach Können, ein gewiß berech-
tigter Wunsch, wenn man bedenkt, wieviel Zeit bei jedem Klassenunterricht ver-
geudet wird, wieviel Kraft Begabter unausgenutzt bleibt oder auf Abwege gerät,
bis die »Schwachen« notdürftig mithinken.

Und nun gar bei seinem Unterrichtsgegenstand!

Die Lust am Rhythmus ist jedem Menschen eingeboren, alles Gesunde beruht
auf Rhythmus, wohin wir blicken, ist alles vom Rhythmus geleitet, begleitet, ver-
schönt, erleichtert Unsere Herz- und Atemtätigkeit, Gang und Bewegung ist rhyth-
misch gegliedert und jede Arbeit wird durch Rhythmisieren nicht nur erleichtert
und gefördert, sondern zu künstlerischer, ästhetischer Art hinübergeführt. Rhythmi-
sieren verscheucht die Langeweile, verlangsamt das Gefühl einer Ermüdung; Rhyth-
mus fordert aber auch zu Bewegungen geradezu heraus, zwingt unwillkürlich zu
motorischer Mittätigkeit. Auf diese unanfechtbare Gesetzmäßigkeit, auf die regel-
mäßige Wiederkehr bestimmter, gleichartiger Momente, hat E. Jacques-Dalcroze
seine >Methode der rhythmischen Gymnastik« aufgebaut, »zur Entwickelung des
Sinnes für musikalische Metrik und musikalischen Rhythmus, des Sinnes für die
plastische Harmonie und das Gleichgewicht der Bewegungen und zur Regelung
der Bewegungsgewohnheiten.* Eine etwas langatmige und schwülstige Bezeichnung,
die sich durch die folgende Inhaltsangabe eigentlich erübrigt: »Diese Methode er-
scheint in zwei Bänden und 30 Lektionen, deren jede folgende Übungen enthält
(nebst zahlreichen Illustrationen):

1. Allgemeine Übungen: a) für die Atmung, b) für das Gleichgewicht der Be-
wegungen, c) für die Kraft und die Geschmeidigkeit der Muskeln.

2. Rhythmische Marschübungen für die Analyse der musikalischen Zeitwerte.

3. Rhythmische Atemübungen.

4. Rhythmische Marschübungen mit begleitenden rhythmischen Armbewegungen.

5. Sogenannte »Unabhängigkeitsübungen« für die verschiedenen Gliedmaßen.

6. Übungen für die Entwickelung der spontanen Willenstätigkeit und für die
Regelung der unbewußten zwecklosen Bewegungen.

7. Sogenannte »Marschunterbrechungsübungen«, welche darin unterrichten, die
Zeit in Gedanken in gleichmäßige Abschnitte einzuteilen.

8. Übungen für das Abwechseln der verschiedenen Taktarten.

9. Gehörübungen (das Umsetzen vorgespielter Melodien in rhythmische Marsch-
bewegungen).

10. Rhythmische Märsche mit Gesang und Klavierbegleitung.

Als Anhang eine Reihe Studien für Gebärden und Haltungen, welche in lang-
same rhythmische Bewegungen zerlegt und mit Klavierbegleitung ausgeführt werden,
und ein besonderer der Gesundheitspflege und der Massage gewidmeter Artikel.
 
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