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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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Vallentin, Berthold: Shakespeares Sonette und ihre Umdichtung durch Stefan George
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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0273

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BEMERKUNGEN. 269

tüeser Aussage selber aber bei scheinbar einschnürenden und absperrenden Kunst-
mitteln liegt in dem ungeteilt Dichterischen, dem wesenhaften koitjTixov dieser Ge-
stalt, das immer in den nächsten, auch den sprödesten, Gegebenheiten den stärksten
Anreiz zur Ausformung seiner innern Einblasungen und seine Sättigung erst in der
lebenschaffenden Bewältigung des Starren durch seinen eingeborenen bildnerischen
Hauch findet.

Durch diesen äußerst komplexen und im äußersten einheitlichen Charakter des
Werks war die Zeit vorausbestimmt, in der seine naturgemäße Aneignung für das
Deutsche erfolgen konnte. Es bedurfte einmal der Fähigkeit, ein komplexes Dich-
terische in seinem Ganzen aufzufassen und zu ertragen, ohne sich am Stoff schadlos
zu halten oder am bloß Formalen zu ergötzen, und der daraus sich entwickelnden
•"eifern Kraft, ein dichterisch Komplexes ohne den Apparat kostbarer Formen im
einfach Einheitlichen anzuschauen und zu genießen. Diese Eignungen sind am
•Jeutschen erst durch die Bewegung ausgebildet worden, die sich an das Unter-
nehmen der >Blätter für die Kunst« und an den Namen Stefan George knüpft. Die
ersten Werke bis etwa zum -Teppich des Lebens« schufen den Komplex: der Zu-
gang war vergleichsweise leicht unter dem beweisenden und beschwörenden Reich-
tum der Formen. Seit dem »Siebenten Ring« verengt sich der Glanz, schießt dicht
aut eine Stelle zusammen, die ihn ganz in sich hat und ganz davon glüht, aber auf

verteiltes Ausstrahlen verzichtet. Hier wird jene zweite, reifere Kraft entwickelt,
je dem Geist in Shakespeares Sonetten begegnet und ihn ergreifen kann. Mit
rer Entfaltung wurde uns das Shakespearesche Werk zugänglich und liegt nun in
der Umdichtung Stefan Georges selbst vor.

In der lebendigen Entwicklung, die sie hervorbrachte, hat diese Umdichtung
e Rechtfertigung gegenüber allen anderen Übersetzungen, die nur ein Spiel der
aune oder eine Anekdote sind. Der lebendigen Entwicklung verdankt sie ihre
sarkere, ihre innere Rechtfertigung: überhaupt die erste deutsche Umdichtung des
erks zu sein, insofern sie erst — nach dem Stande dichterischer Bildung — im-
stande war, uns das ganze Dichterische des Sonettenwerks in seiner komplexen
trscheinung ohne Auflösung oder Teilung der künstlerischen Elemente nachzuformen.

Vereinigung für ästhetische Forschung.

Die Vereinigung für ästhetische Forschung hat im Laufe des Jahres 1909

t ordentliche Monatssitzungen abgehalten. Die Verhandlungen betrafen teils

gemeine theoretische Probleme, teils Fragen aus der Ästhetik der bildenden

biU"st- Am 19. Januar sprach Herr H.Schmidt über »Probleme der Ornament-

KuItUng-in der Pranistorischen Keramik des ägäischen und des mitteleuropäischen

bis !'rkreises,:- Einleitend charakterisierte Herr Vierkandt als Vorsitzender die sich

leute auf dem Gebiete der Ornamentforschung gegenüberstehenden beiden

a^Uptricntungen, von denen die eine die Darstellung von gegenständlichen Motiven

he as UrsPrüngliche ansieht und aus ihrer Stilisierung das geometrische Ornament

der yrgellfn Iäßt. während die andere das letztere als Grundelement aus Prozessen

lieh eChnik (bes°nders des Flechtens) ableitet und die Entstehung von gegenständ-

an(j " GeDilden aus Angleichungsprozessen erklärt. Beide Theorien schließen ein-

nicht aus, vielmehr wechseln Herstellungs- und Nachahmungsmotive in der
 
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