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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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BESPRECHUNGEN. 287

Eduard Spranger, Wilhelm von Humboldt und die Humanitätsidee.
Berlin, Reuther & Reichard, 1909. X, 506 S. 8°.
Es ist kaum möglich, diesem umfang- und inhaltreichen, gelehrten und gründ-
lichen Werk an dieser Stelle völlig gerecht zu werden. Der Verfasser wünscht mit
gutem Grunde, daß man es als ein Ganzes nehme, und verwahrt sich ausdrücklich
dagegen, seine Arbeit nach einem herausgegriffenen Kapitel beurteilt zu sehen.
Wenn ich gleichwohl an diesem Orte lediglich den Abschnitt über Ästhetik (S. 309
s 392) etwas genauer betrachte, so rechtfertigt sich dies einigermaßen dadurch,
daß Humboldts Erkenntnistheorie von selbst zur Ästhetik überleitet, seine Sprach-
Pmlosophie mit der Ästhetik in engem Zusammenhang steht, seine Psychologie und
Ethik wesentlich durch ästhetische Kategorien bedingt sind und zudem die Be-
ziehung der Individualität zum Ideal — in gewissem Sinn das Hauptproblem Hum-
oldts — seiner Meinung nach nur ästhetisch begreifbar ist. Es fragt sich, ob
nicht auch Humboldts Verhältnis zum Griechentum, das der Verfasser in dem Ab-
schnitt über die Ethik behandelt, besser in das Kapitel über Ästhetik einbezogen
worden wäre.

Spranger bestreitet Hayms Urteil, daß Humboldt »ein universelles ästhetisches

ensoriunic besessen habe. Gewiß sei ihm ein hochentwickelter Kunstsinn eigen

g Wesen, aber in der feinen Nachempfindungsfähigkeit, die auf des Künstlers leiseste

ndeutungen sofort zu reagieren wisse, habe ihn Herder und die Romantik über-

Iren. £r sej jn erster Reihe Kritiker. Er strebe danach, dem Kunstwerk eine

eorie abzugewinnen, sich Rechenschaft abzulegen über die ästhetische Wirkung

°d den bloßen Eindruck zum reflektierten Bewußtsein zu erheben. »Dies ist ein

rationalistischer Zug,« erklärt Spranger (S. 310), .-.vielleicht ein Rest alter Aufklä-

ngseinflüsse, und zugleich beweist er, daß sein psychologisches Interesse wohl

°ch größer ist als das rein ästhetische.« Vor allem beweist dieser Zug aber

och, meine ich, daß Humboldt wissenschaftliche Ästhetik treiben wollte und

aß es weder in seiner Absicht lag, zum Genüsse von Kunstwerken anzuleiten,

lc,ch rein impressionistisch die ihm durch die Kunst vermittelten Gefühlseindrücke

j1 Worten wiederzugeben. »Die Begriffe der kritischen Ästhetik sind die Hebel

er wissenschaftlichen Erkenntnis-, sagt Hermann Cohen in seinem nicht nach Ge-

_uhr geschätzten Buch »Kants Begründung der Ästhetik. (Berlin 1889, S. 348), das

Spranger leider unbeachtet gelassen hat.

Humboldts früheste ästhetische Anschauungen stehen unter dem Einfluß seines

rers Engel und der Aufklärungsästhetik überhaupt. Mit Baumgarten teilt er die

' assung der Kunst als eines durchaus Sinnlichen. Mit Sulzer und Mendelssohn

tert er den großen Gedanken einer Erziehung durch das Ästhetische, der die

^rundlage der ganzen Humanitätsidee bildet. In dem Zeitraum von 1793-1798

"eichen seine Interessen für die Ästhetik ihren Höhepunkt. Wann er Kants »Kritik

Urteilskraft« zuerst kennen gelernt hat, wissen wir nicht; daß sie einen unge-

euren Eindruck auf ihn gemacht hat, dürfen wir mit Sicherheit annehmen. Von

n an bewegt sich seine Ästhetik trotz einigen Abweichungen, auf die Spranger

S eren Wert legt, als mir erforderlich scheint, durchaus in Kantischen Bahnen.

er lebendige Gedankenaustausch mit Schiller in den entscheidenden Jahren tut das

~, nge; Humboldt unterschreibt alles Wesentliche, was Schiller in den »Briefen

] J . asthetische Erziehung« geäußert hat, nur hinsichtlich der Bewahrung der

ividualität in der Idealität trennen sich ihre Wege. Treffend charakterisiert

ang.er die Beziehungen und die Wechselwirkung zwischen den beiden Freunden

zeigt, wie Schiller für Humboldt etwa das geworden ist, was Herder für Goethe

er Weise Humanus. Er erklärt aber auch, weshalb gleichwohl Humboldt
 
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