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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0479

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BESPRECHUNGEN. 475

geworfenen Fragen die interessantesten Probleme anschneiden, die eine ausführ-
liche Diskussion durchaus rechtfertigen. Zu bedauern bleibt höchstens, daß Wulff
— vielleicht in einem Sinne mißverstandener Wissenschaftlichkeit — durch rein
historische Zwischenbemerkungen den Gang seiner Untersuchung verundeutlicht hat,
worunter die Strenge der Beweisführung und systematischen Erörterung gelitten hat.
Steglitz.

Richard Hamann.

A. Venturi, Storia delV Arte italiana VI. La Scultura del Quattrocento.
Con 781 incisioni in fototipografia. Ulrico Hoepli, Milano 1908.

Ein halbes Jahrhundert lang haben die Italiener die Erforschung ihrer Kunst den
Ausländern überlassen; wir Deutsche sollten es ihnen eigentlich Dank wissen, denn
an dieser Aufgabe ist unsere Kunstwissenschaft groß geworden. Dann aber wurde
auch hierfür die nationale Losung ausgegeben. Vielleicht hat nichts mehr dazu bei-
getragen, die Geister wachzurütteln, als daß Giovanni Morelli, der einzige kritische
Kopf, der sich damals jenseits der Alpen mit Kunststudien befaßte, in seiner ironi-
schen Art unter einem russischen Pseudonym auftrat! Um das vor zwanzig Jahren
begründete Archivio storico deW arte, die heutige L'Arte, sammelte sich bald ein Stab
tüchtiger junger Forscher, die mit gutem Erfolge den Kampf gegen den berüchtigten
»Ignoto« der italienischen Galerien aufnahmen. Ihre wissenschaftliche Aufgabe
markierte sich als Urkundenpublikation und Detailforschung, und wer wollte leugnen,
daß die Arbeit dieser aufstrebenden Generation italienischer Kunsthistoriker, die sich
Ja unter den günstigsten Bedingungen auf dem Boden der Heimat vollzog, wert-
volle Ergebnisse gezeitigt hat? Abgerundete Gesamtdarstellungen, vor allem aber
Jene psychologisch tiefgründige und welthistorisch orientierte Betrachtungsweise, zu
der die deutsche Kunstforschung herangereift war, treten in der italienischen Ge-
'ehrtenarbeit verhältnismäßig selten hervor; es wirkt direkt befremdend, wie ängst-
lich sie beispielsweise dem großen Problem »Michelangelo«, das für die deutsche
Kunstwissenschaft gerade gegenwärtig im Vordergrunde steht, bisher ausgewichen ist.

Nun hat seit dem Beginn des neuen Jahrhunderts ein Führer und Organisator
der kunstgeschichtlichen Bewegung in Italien, Adolfo Venturi, seine Storia deW
Arte italiana herauszugeben begonnen und in bewundernswerter Energie der Arbeit
so rasch gefördert, daß fast jedes Jahr ein Band erscheinen konnte. Es ist ein groß
angelegtes, kühnes Unternehmen, dessen Verdienstlichkeit man schon deshalb aner-
kennen muß, weil hier zum ersten Male die ungeheure internationale Literatur über
nalienische Kunst verarbeitet und vor allem ein Abbildungsmaterial zusammen-
gebracht ist, wie es in solcher Reichhaltigkeit und Güte noch kein anderes Werk
dieser Art aufzuweisen hatte. Anders steht es freilich, wenn man mit höheren
Forderungen als denen praktischer Brauchbarkeit an das Werk herantritt. Es soll
nier auf die schwerwiegenden Vorwürfe, die gegen Inhalt und Methode der bisher
erschienenen Bände von der deutschen Kritik zum Teil in recht scharfer Weise er-
hoben worden sind, nicht eingegangen werden; aber die Stellung des neuen
v'- Bandes im Gesamtwerke muß doch mit einigen Worten berührt werden. Er
behandelt die Skulptur des Quattrocento, als erster diesem Zeitabschnitt gewidmeter
°and; vergeblich sehen wir uns in dem Komplex der bisherigen Bände nach einer
•Darstellung der Baukunst des 15., ja auch nur des 14. Jahrhunderts um, die — man
sollte es meinen — die notwendige Voraussetzung für das Verständnis der gleich-
zeitigen Plastik bildet. Denn noch haben ja die bildenden Künste dieses Zeitalters
Abhängigkeitsverhältnis zur mütterlichen Architektur nicht gelöst, und gerade
We'l unsere so häufig aus Museumsfetzen destillierte Wissenschaft uns diesen Zu-
 
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