FORM UND STIL IN DER BILDENDEN KUNST UND DIE ÄSTHETISCHE LUST. 93
faches quadratisches, schwarzweißes Ornament mit peripherem Blätter-
kranz aus den Fußbodenmosaiken des Baptisteriums zu Florenz. Der
Blick heftet sich zunächst auf den kleinen schwarzen Stern im Zen-
trum des Oktogons, folgt dann der rechtshin gerichteten Spitze des
unregelmäßigen Sternchens in das Oktogon, umkreist dieses linkshin
einige Male, bis er plötzlich über das schwarze Dreieckchen links
oben in den Blätterkranz überspringt. Diesem folgend eilt das Auge
mehrmals um das Quadrat herum,
springt dann durch eine Diagonale
wiederum in das Oktogon, geht lang-
sam tastend über das weiße Band-
ornament, bis es wieder in den Blät-
terkranz gerät, um von dort aus
neuerdings nach dem Zentrum zu-
rückzukehren.
Und nun betrachte ich neben
diesem Ornament ein regelmäßig
konstruiertes mit senkrecht zur Basis
gestellten Blättchen. Der Blick heftet
sich auf das zentrale schwarze Stern-
chen und bleibt dort längere Zeit
unbeweglich ruhn; dann geht er lang-
sam ein-, zweimal um das Oktogon
herum, folgt der Diagonale nach
rechts oben, heftet sich da einige Zeit
auf das Eckblättchen und geht dann
über dessen Spitze hinaus ins Freie.
Ich suche nun bewußt, noch einmal
in die Form zurückzukehren: der Blick
ruht einen Augenblick auf dem Ok-
togon, entweicht aber sofort wieder
über eines der Eckblättchen, ohne
irgend ein Bedürfnis, noch einmal in
die Figur zurückzukehren. Durch
die leise Neigung der Blättchen im
Mosaik wird zwischen diesen ein
inniger Kontakt hergestellt, so daß der Blick immer wieder durch eine
ideelle Linie von einem Blättchen zum anderen weitergeleitet und um
die Ecken des Quadrates, wo die Blätter etwas rundlicher gebildet
sind, herumgerissen wird. Bei der konstruierten Figur dagegen stehen
die Blättchen ohne Zusammenhang nebeneinander und bieten mit ihren
nach außen gerichteten Spitzen ebensoviele Auswege für den Blick.
Oben: Ornament aus dem Fußbodenmosaik
des Baptisteriums zu Florenz.
Unten: Dasselbe Ornament in regelmäßiger
Konstruktion.
(Nach eigener Zeichnung.)
faches quadratisches, schwarzweißes Ornament mit peripherem Blätter-
kranz aus den Fußbodenmosaiken des Baptisteriums zu Florenz. Der
Blick heftet sich zunächst auf den kleinen schwarzen Stern im Zen-
trum des Oktogons, folgt dann der rechtshin gerichteten Spitze des
unregelmäßigen Sternchens in das Oktogon, umkreist dieses linkshin
einige Male, bis er plötzlich über das schwarze Dreieckchen links
oben in den Blätterkranz überspringt. Diesem folgend eilt das Auge
mehrmals um das Quadrat herum,
springt dann durch eine Diagonale
wiederum in das Oktogon, geht lang-
sam tastend über das weiße Band-
ornament, bis es wieder in den Blät-
terkranz gerät, um von dort aus
neuerdings nach dem Zentrum zu-
rückzukehren.
Und nun betrachte ich neben
diesem Ornament ein regelmäßig
konstruiertes mit senkrecht zur Basis
gestellten Blättchen. Der Blick heftet
sich auf das zentrale schwarze Stern-
chen und bleibt dort längere Zeit
unbeweglich ruhn; dann geht er lang-
sam ein-, zweimal um das Oktogon
herum, folgt der Diagonale nach
rechts oben, heftet sich da einige Zeit
auf das Eckblättchen und geht dann
über dessen Spitze hinaus ins Freie.
Ich suche nun bewußt, noch einmal
in die Form zurückzukehren: der Blick
ruht einen Augenblick auf dem Ok-
togon, entweicht aber sofort wieder
über eines der Eckblättchen, ohne
irgend ein Bedürfnis, noch einmal in
die Figur zurückzukehren. Durch
die leise Neigung der Blättchen im
Mosaik wird zwischen diesen ein
inniger Kontakt hergestellt, so daß der Blick immer wieder durch eine
ideelle Linie von einem Blättchen zum anderen weitergeleitet und um
die Ecken des Quadrates, wo die Blätter etwas rundlicher gebildet
sind, herumgerissen wird. Bei der konstruierten Figur dagegen stehen
die Blättchen ohne Zusammenhang nebeneinander und bieten mit ihren
nach außen gerichteten Spitzen ebensoviele Auswege für den Blick.
Oben: Ornament aus dem Fußbodenmosaik
des Baptisteriums zu Florenz.
Unten: Dasselbe Ornament in regelmäßiger
Konstruktion.
(Nach eigener Zeichnung.)