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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0323
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BESPRECHUNGEN. 3ig

und des Individuellen scheidet. Einer ganzen Reihe von Kunstrichtungen und Ästhe-
"ken um die Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Vermengung dieser beiden zum Ver-
hängnis geworden. Es ist nur zu wünschen, daß dieser Gegensatz in seiner klaren
Abhebung von andern, wie auch die weiteren Scheidungen, die Volkelt innerhalb
dieses Oegensatzpaares vornimmt, sich in der Ästhetik einbürgern: »Es gibt Menschen-
gestalten,« sagt Volkelt (S. 66), »die dem ästhetischen Eindruck nach das Menschliche
mehr in der Weise des Typischen zum Ausdruck bringen und andere, aus denen
uns das Menschliche in zugespitztester Bestimmtheit anspricht.« Dieser Gegensatz
gliedert sich wiederum nach drei verschiedenen Richtungen, je nachdem neben den
großen, entscheidenden Zügen eines Charakters sich noch eine Fülle von Neben-
zügen anschließt oder nicht — oder auch danach, in welchem Umfang und in
welchem Grade der Künstler die Grundzüge einer Person ins Besondere hinein aus-
gestaltet hat. Und endlich kann der Gegensatz auf die wesenhaften Züge selbst
gezogen sein. »Wenn die das Wesen einer Persönlichkeit bildenden Züge in verein-
achter Art zur Darstellung kommen; wenn aus der Zusammensetzung und Verwick-
ung, die den Kern der Persönlichkeit bildet, nur gewisse Seiten herausgehoben, die
übrigen vernachlässigt werden; so geht der Eindruck nach dem Typischen hin«
( • 81) — im entgegengesetzten Fall nach dem Individuellen.
_ Vom Erhabenen gibt Volkelt eine genaue Analyse, die diese Grundgestalt bis
n ihre feinsten Ausgestaltungen hinein verfolgt. Er wendet sich mit Recht gegen
le Anschauung, daß das Streben auf das Unendliche eine Erfordernis des Erhabenen
ei —. ejne Anschauung, zu der sich seit Kant die meisten Ästhetiker bekannt haben
* -107). Das Wesen des Erhabenen besteht vielmehr für Volkelt in einer Beziehung
zwischen Gehalt und Form (S. 113): »Die Kraftfülle des Erhabenen scheint nicht
einfach in den Grenzen der sinnlichen Form beschlossen zu liegen; sie scheint sich
h't Sin.nIicne Umgrenzung nicht friedlich gefallen lassen zu wollen. Es besteht kein
ehagliches und ruhevolles Einssein von Gehalt und Form. Vielmehr hat die sinn-
iche Umgrenzung etwas von Schranke gegenüber der Kraftfülle des Erhabenen
,n sich.« Daß diese Angaben nicht für alle Fälle von Erhabenheit zutreffen, geht
aus volkelts eigenen Angaben hervor. Wenigstens kann der Referent es mit der
Begebenen Analyse nicht recht vereinigen, wenn es weiterhin (S. 128) von der freien
. abenheit heißt: »In der freien Erhabenheit geht vielmehr Gehalt und Form Hand
"J Hand; der übermächtige Gehalt drängt frei und leicht hinaus, und die Form gibt
'. dabei gern und ungezwungen nach« und weiter: »So kann ihr (der Kraftfülle)
,e Form frei und selig folgen; sie scheint, indem sie dies tut, nur ihrem eigenen
esetze zu gehorchen. Weder vergewaltigt der Gehalt die Form, noch diese jenen,
°ndern von sich aus sind beide in froher Übereinstimmung.« Diese letztere Ana-
yse legt den Nachdruck des Erhabenen nicht mehr auf die Beziehung zwischen Ge-
nalt und Form, sondern auf eine Eigenart des Gehalts selbst. Und in der Tat scheint
*nir diese Analyse auch die zutreffendere zu sein. Freilich würde damit für das
erhabene die Einkleidung in eine anschauliche Form außerwesentlich sein, und das
erhabene nicht zu den Grundgestalten des Ästhetischen gehören. Dazu würde es
vollkommen stimmen, daß wir auch in gänzlich unanschaulichem Sinn von einer er-
habenen Gesinnung reden können, während von einer »schönen« Gesinnung im
echten ästhetischen Sinn nicht gesprochen werden kann, da zu »schön« dem Wesen
"ach die Anschaulichkeit gehört. Umgekehrt kann man im ursprünglichen Sinn
nicht von erhabenen, wohl aber von schönen Linien reden; das alles scheint mir
darauf hinzuweisen, daß das Erhabene zunächst ohne Rücksicht auf eine Form ge-
dacht wird. Trotzdem würde ich Volkelts Analyse nicht für unrichtig, sondern nur
™r zu eng halten. Die Art der Beziehung des Gehalts auf die Form, die Völkelt


 
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