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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0684
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BESPRECHUNGEN.

linear besetzten Hintergrund — beides sollte ja nur die ruhende Fläche zerschlagen,
die gegenständliche Bedeutung war ganz nebensächlich — das Gold verwandt
wurde. Keineswegs bedeutet ja dieses Gold raumlos ruhende Fläche. Denn seine
Funktion ist die gleiche, wie die des Wandmarmorbelages in der spätantik-byzanti-
nischen Architektur. Wie dieser an die Stelle der taktischen Wand eine optische
Unbegrenztheit setzt, so entzieht sich das Gold der rationalen Raumerfassung«
(S. 23/24). »Der Vergleich zwischen Miniaturen und mittelalterlichen Glasgemälden
pflegt öfters gezogen zu werden; ich kann ihn auch nicht umgehen. Das mittel-
alterliche Glasgemälde besteht grundsätzlich aus zwei Komponenten: der kontu-
rierenden Metallfassung und der farbigen Scheibe. Das nordische mittelalterliche
Glasgemälde erweckt stets den Eindruck eines Zwiespaltes zwischen dem Ebenen-
charakter der Fassungen und den Scheiben. Diese wollen sich infolge der durch
die Lichtbrechung in dem technisch nicht vollkommenen Glase hervorgerufenen
Vibrationen nicht in eine bestimmte Schicht fügen; man meint nicht genau angeben
zu können, wohin der Finger zu führen ist, um die Tastempfindung zu erregen.
Die Farbe scheint einen Raum zu erfüllen, nicht einfach die Konturzeichnung aus-
zutuschen. Das gleiche Verhältnis findet sich wieder bei byzantinischen Zellen-
emails mit den Metallrippen und der lebhaft bewegten Farbfläche zwischen ihnen.
In der Architektur kann als Analogon die Wandbekleidüng der Hagia Sophia heran-
gezogen werden, wo die optisch unbegrenzten (weil spiegelnden) Marmorplatten
noch durch plastische Rahmen eingefaßt sind. Damit haben wir uns der Epoche
unserer Miniaturen wieder genähert, und zwar sehe ich hier eine noch frühere Ent-
wicklungsstufe. Die Farbfläche soll den Eindruck des Kubischen erregen, wobei
man sich aber mit dem allgemeinen Eindrucke des Dreidimensionalen begnügt, ohne
die Überzeugung der wirklichen Abmeßbarkeit zu verlangen« (S. 24/25).

Die Proben mögen genügen, um des Verfassers Hand zu weisen. Ich möchte
noch hindeuten auf einige Betrachtungen über zeichnerische Stilelemente (S. 25/26)
sowie über allerlei Rahmungsprobleme bei den hier behandelten Miniaturen (S. 37
bis 42) und im übrigen die Hoffnung aussprechen, dem Autor noch einmal bei
einem anderen, weniger abgelegenen Thema zu begegnen.

Berlin-Friedenau. Erich Everth.
 
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