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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0075
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Bemerkungen.

Zur Erinnerung an Theodor Lipps.

»Die Ästhetik ist eine psychologische Disziplin«, so lautet das Grundbekenntnis,
mit dem Lipps seine Zusammenfassung der Ästhetik in der »Kultur der Gegenwart«
beginnt. Allein diese Anschauung in solch allgemeiner Form ist übereinstimmende
Basis für eine große Zahl von Ästhetikern der letzten Jahrzehnte. Wie wenig sie
für den speziellen Charakter einer Ästhetik bedeutet, zeigt die einfache Gegenüber-
stellung der Namen Fe ebner und Lipps.

1. Bei Fechner ist die psychologische Einstellung eine Konsequenz seiner
Methode, Ästhetik »von unteiH zu treiben. Lipps dagegen ist psychologischer
Ästhetiker, weil das psychologische Denken ihn von Grund aus bestimmte, weil jener
alte Satz, den er oft anführt, daß unser eigenes Herz uns mehr angehe als Sonne,
Mond und Sterne, seine Art, die Well anzuschauen, vor aller Beschäftigung mit der
Wissenschaft enthielt. So gibt es kein Problem der Lippsscheu Ästhetik, bei dem
die Lösung nicht in der Richtung psychologischer Methode und psychologischen
Inhalts gesucht wird.

2. Zu dieser Tendenz steht es nur scheinbar in Widerspruch, daß Lipps die
Ästhetik nicht wie Fechner in der Psychologie aufgehen ließ; daß sie ihm kein Teil
der Psychologie, daß sie nur angewandte Psychologie war; und daß er streng —
strenger als irgend jemand vor ihm — das ästhetische Gebiet — gerade so wie vom
Philosophischen und Physiologischen — auch vom Nurpsychologischen abzu-
grenzen suchte. Allein diese Scheidung des Ästhetischen und des Nurpsychologischen
führte er wiederum mit rein psychologischen Mitteln durch. Er charakterisierte
das Ästhetische als eine psychologische Haltung spezifischer Art, als einen spe-
zifisch gearteten Genuß, als eine spezifisch geartete psychologische Funktion.
Fechner, dem die zufälligsten gedanklichen Assoziationen, wie sie etwa der Anblick
einer Orange auslöst, mit in die Ästhetik gehören, der unterschiedslos alle Wirkungen,
die von ästhetischen Objekten ausgehen, auch als ästhetische Wirkungen an-
sieht, hatte kein psychologisches Mittel, das ästhetisch Berechtigte vom Unbe-
rechtigten zu trennen. Er mußte zur Abscheidung des guten vom schlechten
Geschmack auf einen außerpsychologischen Gesichtspunkt: den »Nutzen für die
Menschheit rekurrieren. Lipps aber konnte auch das Normative psychologisch be-
gründen, weil für ihn durch die psychologische Scheidung des Ästhetischen vom
Außerästhetischen die normative Scheidung mitgegeben war. Die scheinbare
Entfernung des Ästhetischen vom Psychologischen dient ihm nur dazu, das Ästhetische
nur noch tiefer psychologisch zu begründen.

3. An einem zweiten Gabelungspunkt der psychologischen Ästhetik wendet sich
Lipps wiederum zum Weg der zentraleren psychologischen Lösung. Es gibt eine
objektive Richtung innerhalb der psychologischen Ästhetik. Sie untersucht das
ästhetische Objekt als psychologischen Eindruck. Sie fragt: Welche Recht-
ecke gefallen am besten, und welches ist die Regel, nach der sie gefallen? Lipps
 
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