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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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Feldkeller, Paul: Der Anteil des Denkens am musikalischen Kunstgenuß, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0274
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IX.

Der Anteil des Denkens am musikalischen

Kunstgenuß.

Von

Paul Feldkeller.

III.

Ein musikalischer Akkord läßt sich nach zwei einander diametral
entgegengesetzten Richtungen behandeln. Ich kann meine Aufmerk-
samkeit unmittelbar auf seine Teilinhalte lenken, um zu sehen, woraus
er besteht, und ihn auf diese Art zergliedern, so daß ich keine Klang-
einheit mehr, sondern ein Nebeneinander von Einzelklängen höre. Ich
kann dieselbe zergliedernde Aufmerksamkeit dann wiederum auf einen
dieser Einzelklänge von bestimmter Klangfarbe richten, und auch er
verschwindet, und an die Stelle der Klangfarbe treten Grundton und
Obertöne a).

Eine hiervon gänzlich verschiedene Einstellung der Aufmerksam-
keit besteht darin, daß sie den Akkord oder die Klangfarbe, statt sie
zu analysieren, synthetisch zusammenfaßt, die daraus resultierende
»Gestaltqualität« zu eindringlichem Erleben bringt und dies so aus
solcher »Verschmelzung? hervorgegangene neuartige Etwas womög-
lich mit noch anderen intellektuellen oder emotionalen Erlebnissen
»verschmelzen* läßt, so daß wieder ganz neue Gestaltqualitäten,
höherer Ordnung, aus dem Nichts erzeugt werden. Diese fortwährend
verschmelzende, konkret vereinheitlichende Tätigkeit der Seele, die für
die impressionistische Musik von höchster Wichtigkeit ist, stellt unser
Problem dar. Diese Art der Auffassung ist keine Tätigkeit des Ver-
standes mehr. Das Denken spielt hierbei eine weniger aktive Rolle,
es ist nicht das agens der Vereinigung, sondern wird vereinigt, mit
den übrigen Eindrücken verschmolzen, nachdem es in die Masse der

') »Aber es gibt überhaupt eine Klangfarbe nur unter der Bedingung, daß keine
Analyse oder wenigstens keine vollkommen deutliche Analyse stattfindet. Sie zer-
fließt sozusagen in dem Maße, als die Analyse deutlicher und vollständiger wird.«
*Kurz, die Klangfarbe ist nicht wie das Klanggefühl eine direkte Funktion der
tmpfindungen, sondern der Auffassung der Empfindungen.« (Stumpf, Ton-
Psychologie ", 1800, S. 529.)
 
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